EMOTIONALES ESSEN FÜR DEN SEELISCHEN HUNGER
Ist emotionales Essen schon ein gestörtes Essenverhalten? Wie beeinflussen unsere Emotionen unser Essgewohnheiten? Stress, Frust, Trauer oder einfach die Belohnung nach einem vollen Arbeitstag kennt fast jeder.
Bei der Frage nach einem gestörten Essverhalten denken die Menschen häufig an die klinischen Diagnosen einer Essstörung wie Bulimie, Magersucht und Bing Eating. Dabei gibt es eine große Anzahl an Menschen, meistens Frauen, die keine klinische Diagnose haben und doch ein gestörtes Essverhalten zeigen und darunter leiden.
Das beginnt schon bei einer Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Von außen wirken die Menschen selbstbewusst, redegewandt und unverwüstlich. Sie sehen sich selbst allerdings nicht so und betrachten sich vielmehr als inkompetent, wertlos und unattraktiv. Das Essen wird zu einem Kontrollinstrument, um das schwache Selbstwertgefühl aufzubauen. Oft stehen dahinter Ängste oder auch unerfüllte Bedürfnisse nach Liebe und Anerkennung. Um den damit verbundenen Ohnmachtsgefühlen und der Hilflosigkeit zu entfliehen, beginnen sie mehr zu essen als der Körper braucht. Die Seele ist die Ursache für emotionales Essen.
EMOTIONALES ESSEN ALS REAKTION AUF UNKONTROLLIERBARE GEFÜHLE
Jedes Gefühlsleben ist einzigartig. Gefühle kommen und gehen, sind klar oder ambivalent, verwirrend oder richtungsweisend und vor allem nicht kontrollierbar. Oft höre ich von meinen Klienten, dass sie nur die angenehmen Gefühle spüren wollen, vor den Unangenehmen haben sie Angst und versuchen zu fliehen. So werden schmerzliche Gefühle verdrängt und treiben im Unterbewusstsein ihr Unwesen. Damit bleiben sie ungelöst, kommen immer wieder hoch und prägen unser Verhalten. Auch unser Essverhalten.
Essen ist allgegenwärtig. Es ist das versteckte Suchtmittel, was sozial akzeptiert und immer greifbar ist. Kaum ein Tischgespräch dreht sich nicht auch um Essen. Ob es der Austausch über Diäten, neue Ernährungsphilosophien, Wertungen über „gute“ und „schlechte“ Nahrung, Körpergewicht, Schönheit oder sportliche Aktivitäten zur Gewichtsreduktion geht. Essen ist stets präsent.
Essen kann unser Tröster sein, unser Antreiber, unser Moralapostel, unsere Stütze oder auch unser ärgster Feind.
Emotionales Essen ist eine Reaktion auf unkontrollierbare Gefühle. Mit Essen werden schwierige Gefühle verändert, gedämpft, beruhigt, abgeschwächt. Es vermittelt ein Gefühl von Kontrolle auf die eigene Gefühlswelt. Doch in Wahrheit ist es eine Flucht und keine Lösung.
URSPRUNG EINES GESTÖRTEN ESSVERHALTENS
Die Folgen von emotionalen Essen können Gedankenkreisen ums Essen und eine ständige Beobachtung und Bewertung des eigenen Körpers sein. Beides sind ein Ausdruck eines gestörten Essverhaltens.
Der Ursprung von einem gestörten Essverhalten ist vielfältig. Es können Erfahrungen von einem überfürsorglichen Elternteil bis zu einer lieblosen Elternteil sein, Tod oder Scheidung. Erfahrungen, wo die eigene Kreativität in der Familie unterdrückt, der Neid und die Eifersucht anderen Menschen abgewehrt werden musste oder die Sehnsucht den eigenen Eltern gefallen zu wollen. Manchmal wird die Selbstwahrnehmung dadurch geprägt nicht in die Familie zu passen, anders oder gar falsch zu sein. Auch wenn Eltern überfordert oder emotional nicht erreichbar sind und Kinder mit ihren Bedürfnissen ins Leere laufen, kann sich daraus später ein gestörtes Essverhalten entwicklen.
Das Problem des Essens wird im Vergleich zu den dahinter liegenden Problemen und Konflikten als „leichter“ bewertet. Beispielhaft sieht man das an dem Glaubenssatz „Wenn ich schlank bin, bin ich liebenswerter“. Der Kampf ums Essen wird ein Kampf um sich selbst. Selbstzweifel, Selbstablehnung bis hin zum Selbsthass bestimmen die Gefühlswelt essgestörter Menschen.
Es gibt mehr Menschen mit einem gestörten Essverhalten, die nicht im klinischen Sinn eine Diagnose haben, aber einen Leidensweg leben. Jeder Mensch ist wichtig und die innere Arbeit sich von den Verstrickungen der Vergangenheit zu lösen, um sein Selbst und die wahren Bedürfnisse zu spüren, ist es wert.