WARUM SIND FREUNDSCHAFTEN WICHTIG?
Im Laufe unseres Lebens stellen wir fest, dass wir auf viele Dinge keinen Einfluss haben. Wir können uns unsere Eltern und unsere Gene nicht aussuchen und auch die Dinge nicht kontrollieren, die in der Welt um uns herum passieren. Eine Sache, auf die wir Einfluss nehmen können, ist die Wahl unserer Freunde. Diese Entscheidung kann unser Leben entweder sehr viel reicher und schöner oder aber stressiger und enttäuschender machen.
Solide Freundschaften sind vor allem aus zwei Gründen wichtig. Erstens machen sie das Leben angenehmer. Wir können die schönen Seiten des Lebens mit Menschen teilen, die wir lieben, was unsere täglichen Erfahrungen bereichern kann. Zweitens helfen uns unsere Freunde, schwierige Zeiten zu überstehen. Wenn wir Freunde haben, die uns in schweren Zeiten unterstützen, können unvorstellbar schwierige Situationen erträglicher erscheinen.
Freunde sind eine wichtige Säule im Leben, die wir immer wieder aktiv aufbauen und pflegen müssen. In schwierigen Zeiten sind wir auf Freunde angewiesen, dass sie uns unterstützen, uns zuhören, mitfühlen und aktiv an unserer Seite sind. Freunde lässt man nicht im Stich. Doch nicht nur in schweren Zeiten steht man zusammen. Die schönen und sonnigen Seiten des Lebens mit Freunden zu teilen, ist eine wahre Freude – Zeit gemeinsam verbringen, Beziehung leben und im Kontakt sein.
Von Zeit zu Zeit ist es immer wieder wichtig, auf Freundschaften zu schauen und zu prüfen, ob derzeitige Freunde dich aufbauen und unterstützen oder ob die Freundschaft einseitig ist. Für eine Freundschaft ist Balance die tragende Säule. Es muss ausgeglichen sein und jeder gibt 50/50. Mal braucht der eine mehr und manchmal der andere, aber am Ende des Tages muss es sich die Waage halten.
Freunde nehmen sich Zeit füreinander. Freundschaft bereichert das Leben des anderen und deshalb ist sie auch immer die Zeit und Energie wert. Das Rückgrat einer erfolgreichen Freundschaft ist, dass sich beide Seiten gleichermaßen bemühen und unterstützen.
WAHLVERWANDSCHAFTEN
Sind Freunde wie Familie? Auf jeden Fall. Und manchmal ersetzen Freundschaften auch die Familie. Menschen, die keine Familie mehr haben oder aus destruktiven Familiensystemen stammen, können Beziehungen und eine Wahlfamilie aus Freunden aufbauen. Hier kann sich die emotionale Nähe entwickeln, die in der Ursprungsfamilie nicht möglich war. So können positive Beziehungserfahrungen entstehen, die auch nachnähren und alte Wunden heilen lassen.
Herzensfreundschaften sind vom Gefühl wie eine Familie, stabil und zuverlässig. Erst im Alter kann es schwierig werden, wenn die Themen Pflege und Krankheit dazukommen. Denn niemand opfert sich so sehr auf wie Familienmitglieder.
FREUNDSCHAFTEN SIND WIE LIEBESBEZIEHUNGEN
Die Definition eines guten Freundes ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, aber es gibt bestimmte Eigenschaften, Merkmale und Qualitäten, die nach Ansicht der meisten Menschen jemanden zu einem guten Freund machen.
Wenn man Menschen fragt, was einen guten Freund ausmacht, erhält man oft Antworten, die auf eine Eigenschaft hinauslaufen: Präsenz. Ein guter Freund ist für dich da, wenn du ihn brauchst. Ob es darum geht, dich durch die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen zu helfen oder an deiner Seite zu sein, wenn du krank bist – gute Freunde sind in guten und in schlechten Zeiten da. Man muss nicht unbedingt eine schwere Zeit durchmachen, um einen guten Freund zu brauchen. Manchmal bedeutet es, für einen Freund da zu sein, einfach zuzuhören, wenn er reden möchte.
Der Schlüssel, um für einen Freund da zu sein, sind Taten. Man kann alles Mögliche sagen, aber wie ein altes Sprichwort sagt, „Taten sagen mehr als Worte“. Jemand sagt vielleicht, dass er für dich da ist, wenn du ihn brauchst, aber wenn Schwierigkeiten auftauchen, wird ein guter Freund tatsächlich da sein und sich aktiv einbringen.
Eine weitere wichtige Eigenschaft eines guten Freundes ist Loyalität. Wir alle erleben Zeiten, in denen wir nicht die beliebteste Person in unserer Umgebung sind. Vielleicht haben wir etwas falsch gemacht oder wir sind schlecht gelaunt. Gute Freunde sind loyal und können auch mit den schwierigen Eigenschaften umgehen oder sie zur Sprache bringen.
Gute Freunde sind ehrlich – ehrlich genug, um dir zu sagen, wenn du selbst kein guter Freund bist. Manche Menschen wollen sich nur mit Menschen umgeben, die ihnen sagen, was sie hören wollen oder wie toll sie sind. Gute Freunde werden dir sagen, was du hören musst, auch wenn du es nicht hören willst.
Neben guten Freunden, die präsent, loyal und ehrlich sind, wünschen sich die meisten Menschen auch Freunde, die vertrauenswürdig sind. Wenn man sich auf einen Menschen nicht verlassen kann, ist es schwer, ihn als guten Freund zu betrachten. Gegenseitiges Vertrauen zwischen Freunden ist ein Baustein für eine solide Freundschaft, die ein Leben lang halten kann.
Freundschaften sind wie Liebesbeziehungen, man muss sie hegen und pflegen. Und es gibt genauso viel Konfliktpotential wie in allen Liebesbeziehungen – Vertrauensbrüche, Kränkungen, Meinungsverschiedenheiten. Hier zeigt es sich dann, wie tragfähig eine Freundschaft ist, wie wichtig der andere Mensch ist und ob man in der Lage ist, die Themen zu klären oder es besser ist, getrennte Wege zu gehen.
Freundschaften sind immer wieder zu überdenken und manchmal muss man sich von Freunden trennen oder sie trennen sich von uns. Das passiert, wenn die Freundschaft keinen Mehrwert für das eigene Leben darstellt, wenn der liebevolle Teil der Beziehung nicht mehr vorhanden ist, wenn kein Interesse am Gegenüber spürbar wird, wenn die Beziehung einseitig ist.
WIE BAUT MAN FREUNDSCHAFTEN AUF?
Gewohnheit macht Liebe. Bei Menschen, denen wir jeden Tag oder regelmäßig begegnen, haben wir mehr Möglichkeiten und Chancen auf die Entwicklung einer Beziehung. Wir haben die Möglichkeit, den anderen auf ganz ungezwungene Art und Weise kennenzulernen.
DER INNERE BODEN
Freundschaften brauchen einen Boden und dieser Boden liegt erstmal in dir selbst. Wenn du selbst keinen stabilen Boden hast, wird es schwer sein, eine Begegnung und einen echten Kontakt herzustellen. Wer misstrauisch ist, wartet oft auf das Vertrauen des anderen und macht sich dadurch abhängig. Jedoch liegt das Misstrauen in dir selbst und nur du kannst es lösen. Oder du fühlst dich nicht liebenswert oder gut genug, dann hast du vielleicht das Gefühl viel tun zu müssen oder willst dem anderen Gefallen. Dabei wird man selbst oft übergriffig oder manipulativ, um die Aufmerksamkeit und Anerkennung des anderen zu bekommen. Damit geht der Kontakt verloren und ist die Grundlage für emotionale Verstrickungen.
Um Freundschaften aufzubauen, brauchst du eine innere Stabilität, um auszuhalten, wenn jemand nicht mit dir befreundet sein will, klare Grenzen setzt oder dich mit deinen Schwächen und Fehlern konfrontiert. Deine innere Stabilität nimmt dir die Angst vor Verlassenheit, vor Alleinsein und vor Ablehnung. Sie gibt dir auch das Vertrauen, mit Verletzungen und Enttäuschungen umzugehen und nicht alles mit dir machen zu lassen. Innere Stabilität zeigt sich in einem gesunden Selbstwert, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Je weniger Selbstwert da ist, desto mehr Ängste werden sich im Kontakt zeigen und desto mehr bist du mit der Aufmerksamkeit mehr beim anderen als bei dir selbst.
ALTE WUNDEN HEILEN
Um Freundschaften aufzubauen, musst du auch Freundschaft mit dir selbst schließen, alte Wunden heilen und eine gesunde Selbstverbindung entwickeln. Mit der gesunden Selbstverbindung kommt auch die Selbstwirksamkeit. Du machst die Erfahrungen, dass du dein Leben gestalten kannst. Du musst entscheiden, mit wem du deine Zeit verbringen und wieviel du in die Beziehung investieren willst. Willst du den Menschen wiedersehen? Hast du Interesse an dem Menschen? Was interessiert dich? Denn ohne Engagement wird es keine dauerhafte Beziehung geben.
Für einen echten Kontakt ist es wichtig, dich zu zeigen und deine Masken fallen zu lassen. Masken sind auf Dauer langweilig. Niemand wird sich langfristig dafür interessieren und es bleibt oberflächlich. Menschen sind an Menschen interessiert, an ihren Geschichten, an ihren Höhen und Tiefen, an den Unwägbarkeiten des Lebens und den Herausforderungen, mit denen jeder Mensch zu kämpfen hat. Dazu braucht es Zeit, Zeit sich kennenzulernen und sich immer mehr zu zeigen. Menschen mit Entwicklungstraumata (Bindungsschwierigkeiten) können beispielsweise dazu neigen, zu schnell zu viel von sich Preis zu geben und schon eine Bindung aufbauen, bevor man sich wirklich kennengelernt hat. Oft kommt es dann zu tiefen Verletzungen, die wiederum eine Wiederholung schmerzlicher Erfahrungen ist. Denn eine Trennung einer Bindung tut immer weh. Oder man ist sehr bedürftig, dann wenden sich Menschen in der Regel ab. Auch hier ist es notwendig erst durch sich selbst den Hunger des eigenen inneren Kindes zu sättigen, um dann den Schritt in den Kontakt mit anderen zu machen.
Um sich kennenzulernen, ist es daher wichtig zu prüfen, ob man überhaupt zusammen passt, gibt es Resonanzen, gibt es Interesse, teilen wir gemeinsame Werte, ist der andere vertrauenswürdig und wie geht der andere mit mir um. Und erst dann macht es Sinn, sich zu binden.
NÄHE ENTSTEHEN LASSEN
Nähe muss sich entwickeln und dafür braucht es Zeit, Interesse und Engagement. Nähe entsteht nicht, wenn man sich rar macht, den anderen auf Distanz hält, sich zurückzieht, kein Interesse zeigt, sich nicht aktiv einbringt. Dafür muss man sich nicht täglich hören, sondern es braucht eine unausgesprochene Verhandlung, was der Rhythmus des Kontakts ist. Es gibt Freundschaften über Jahre, wo man sich nur ein paar Mal im Jahr hört, aber man sich trotzdem gesehen und gehört fühlt. Und es gibt Freundschaften, die den täglichen Austausch brauchen und so viel Nähe wichtig und auch möglich ist.
In Freundschaften findet sich dieser Rhythmus automatisch und es passt in der Regel für beide. Schwierig wird es, wenn es unterschiedliche Bedürfnisse nach Kontakt gibt. Hier geht es nur über die Kommunikation und der Akzeptanz, dass vielleicht jemand weniger Kontakt will. Dann muss man selbst entscheiden, ob einem der andere so wichtig ist und man das akzeptiert oder sich aus der Beziehung löst.
Nähe entsteht aus Kontakt und Kontakt braucht die gesunde Grenze. Mit der gesunden Grenze treffen sich im Idealfall zwei Menschen, die gut mit sich selbst verbunden sind. Hier ist Nähe und Distanz in einem gesunden Rhythmus möglich, ohne Angst, sondern mit dem Potential der Entwicklung. Wie Martin Buber schrieb: Ein klares ICH und ein klares DU ergeben ein klares WIR.