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Gesunde Grenzen als Basis für Kontakt

MANGELNDE GRENZEN ANSTATT GESUNDE GRENZEN

Gesunde Grenzen

Mangelnde oder fehlende Grenzen zeigen sich in Burnout, Überlastung, körperlichen Symptomen, Konflikten, Abhängigkeiten, Mobbing, Selbstverlust, Wut, Ängsten oder Scham- und Schuldgefühlen. Dabei respektieren wir nicht nur unsere eigenen Grenzen nicht, sondern missachten auch die Grenzen von anderen oder können mit einem Nein schlecht umgehen und empfinden dies als Ablehnung.

Eigene Erwartungen und Bedürfnisse werden unterdrückt, um nicht aufzufallen, nicht ausgeschlossen zu werden oder Anerkennung und Liebe zu bekommen. Manchmal ist der Selbstverlust schon so stark, dass eigene Bedürfnisse nicht mehr gespürt werden und man sich in den Bedürfnissen des anderen verliert. So werden die Bedürfnisse des anderen sehr fein wahrgenommen und zu den eigenen gemacht. Das lässt Grenzen verschwimmen und macht einen Kontakt unmöglich.

Eine fehlende Grenze zeigt sich auch, wenn die Grenzen anderer nicht respektiert werden können. Wir sind dann enttäuscht, wütend, eifersüchtig oder machen Vorwürfe. Oder wir manipulieren oder mischen uns in Angelegenheiten von anderen ein, die uns nichts angehen.

Immer wieder höre ich, dass Menschen Freundschaften oder Partnerschaften ohne Erwartungen suchen. Das ist jedoch eine kindliche Haltung und nicht erwachsen. Erwartungen und Bedürfnisse zu formulieren sind wichtig, um sich auf einer reifen Ebene zu begegnen und sich sicher und wohl zu fühlen. Erwartungen helfen, in Beziehungen gesund zu bleiben und in Dialog zu treten, um Kompromisse einzugehen. Wenn wir erwachsen sind, steht es jedem frei, diese Erwartungen zu erfüllen oder auch nicht. Daher müssen wir lernen, Erwartungen zu formulieren und auch eine Frustrationstoleranz zu entwickeln, wenn andere diese Erwartungen nicht erfüllen können oder wollen. Denn wir sind keine Kinder mehr, sondern erwachsen und für die eigenen Bedürfnisse selbst verantwortlich.

Fehlende Grenzen haben ihren Ursprung in emotionalen Verstrickungen und frühen unaufgelösten Symbiosemustern mit den Bezugspersonen. Symbiotische Verstrickungen entstehen, wenn die ursprünglichen Symbiosebedürfnisse in der Kindheit nicht befriedigt wurden. Es entstehen destruktive Formen der Symbiose, die sich zeigen:

  • im Anspruch, dass der andere so sein soll, wie man ihn braucht: Dominanz, Unterdrückung
  • man sich selbst anpasst, so wie der andere es möchte: Überanpassung, Selbstaufgabe, Unterwerfung
  • emotionale Abhängigkeiten mittels Druck, Angst, Schuldgefühle
  • Grenzenloses Vertrauen, bedingungslose Liebe, übermäßiges Verständnis, Unfähigkeit Nein zu sagen
  • Abhängigkeit von der Meinung anderer
  • Identitätslosigkeit, keine personale Substanz
  • Pseudoautonomie: Überabgrenzung, errichten von Mauern, zu hohe Erwartungen an andere, strikte Regeln, alles alleine machen/schaffen, vermeiden von Verletzlichkeit

 

Bei einer gestörten Grenzdynamik zeigt sich Widerstand, wenn die falsch gesetzten Grenzen angetastet werden. Der Ausdruck des eigenen Selbst ist eingeschränkt durch früh erworbene, chronifizierte Schutzmaßnahmen, die der Vermeidung von Angst, Scham, Schuld, Zweifel und Schmerz gedient haben und heute nicht mehr dienlich sind.

DIE GEMEINSAME GRENZE

Beziehung auf Augenhöhe

Die Mitbegründerin der Gestalttherapie Laura Perls formulierte: „Kontakt ist die Wahrnehmungsverarbeitung des Anderen, des Verschiedenen, des Neuen, des Fremden. Es ist kein Zustand, in dem man sich befindet oder nicht befindet, sondern eine Tätigkeit. Ich schließe Kontakt, ich nehme Kontakt auf an der Grenze zwischen mir und dem Anderen. Die Grenze ist gleichzeitig der Ort der Berührung und der Trennung.“

  • Grenzen ermöglichen die Lösung aus früher symbiotischen Beziehungsformen und den Eintritt in reifere Formen der Begegnung.
  • Grenzen sind ein Ausdruck, wie wir behandelt werden wollen und was wir tolerieren und was nicht. Wir entwickeln ein klares JA und ein klares NEIN.
  • Grenzen lassen einen Rhythmus von Nähe und Distanz entstehen gleich einem Tanz
  • Grenzen sind die Grundvoraussetzung für Verbundenheit. Nicht die Grenzenlosigkeit schafft Bindung, sondern Grenzen lassen Verbundenheit entstehen.

 

An der gemeinsame Grenze entsteht Kontakt und Begegnung. Hier können wir im Miteinander und Austausch wachsen, uns erfahren und Beziehung gestalten. Wir erleben uns im Kontakt mit anderen ohne uns selbst zu verlieren. Die eigene Autonomie wird gewahrt und wir können uns frei fühlen und zugleich Nähe spüren.

Eine stabile Selbstverbindung ist die Basis, um auf gesunde Art und Weise Kontakt herzustellen. Wir öffnen uns dem anderen, lassen uns ein, sind neugierig und lassen uns berühren. Wir achten die Grenzen des anderen und erkennen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten, ohne den anderen verändern zu wollen.

Ein gesundes Miteinander ist geprägt von der Intention, dass alle Beteiligten einen Nutzen haben. Alle haben das Gefühl, dass es gerecht zugeht und ein Gleichgewicht besteht im Geben und Nehmen. Wenn jemand mehr gibt als er zurückbekommt, fühlt er sich bald ausgenutzt. Wenn jemand mehr bekommt als er bereit ist zu geben, kann er ein schlechtes Gewissen bekommen.

Das Erleben der gemeinsamen Grenzen erzeugt ein Gefühl der Zugehörigkeit und Verbundenheit. Jeder sieht den anderen mit seinen zwei Seiten – dem gesunden Kern und seinen Mustern. So kann jeder entscheiden, ob er mit den Mustern leben kann oder die Differenzen unüberwindbar sind.

Als Erwachsene haben wir jederzeit die Möglichkeit, eine destruktive Beziehung zu verlassen und die Bereitschaft zur Auflösung anzuerkennen.

Das Bewahren der Autonomie ist Ausdruck einer gesunden Grenze. Man weiß, um den eigenen Wert und folgt seinen inneren Maßstäben mit der Übernahme der vollen Verantwortung. Autonomie bedeutet auch sein eigenen Grenzen anzuerkennen und sich nicht in Größenillusionen zu verlieren, die wiederum Kontakt verhindern. Wahre Autonomie heißt nicht, als einsamer Wolf durch die Welt zu laufen und alles alleine zu schaffen, sondern sich im Kontakt nicht zu verlieren, sich immer wieder zu begegnen, neugierig zu sein und gemeinsam Wege zu finden.

DIE BASIS FÜR SELBSTFÜRSORGE UND SELBSTACHTUNG SIND GESUNDE GRENZEN

Ohne Grenzen in Beziehungen ist keine gesunde Selbstfürsorge möglich. Wir verwechseln Liebe mit Symbiose, verschmelzen mit dem anderen bis zur Unkenntlichkeit. Auch das Gegenteil, die Überabgrenzung ist Ausdruck einer fehlenden Grenze zwischen Menschen. Der Bezug gilt nur den eigenen Bedürfnissen und andere Menschen mit deren Bedürfnissen werden nicht geachtet. Das verhindert Beziehung und Bindung.

Eine gesunde Selbstfürsorge hat immer auch den anderen mit im Blick. Persönlich ist mir das wichtig zu betonen, da oft ein falsches Verständnis von einer Grenze vermittelt wird und zu einem puren Egoismus verkommt. Menschen, die sich viel verausgabt haben oder ihren Selbstwert durch Leistung aufbauen, müssen lernen Grenzen zu setzen und den Blick wieder auf sich zu richten und den Wert aus sich selbst heraus entwickeln. Dazu gehört auch zu lernen, Grenzen zu setzen und nein zu sagen. Doch leider beobachte ich, dass dies auch in Therapien häufig nicht im Sinne eines sozialen Miteinanders geschieht, sondern nur noch das Ich im Vordergrund steht mit der Rechtfertigung endlich mal sich selbst zu leben. Aber bitte nicht auf Kosten der anderen.

Die eigenen Bedürfnisse wieder spüren lernen, ist ein wichtiger Prozess der Selbstfürsorge und der Selbstachtung. Die Differenzierung zwischen, was sind meine und was sind deine Bedürfnisse klar zu erkennen, sind genauso ein Anteil wie die Verantwortung für die eigenen Bedürfnisse zu übernehmen. Wer lange seine Bedürfnisse unterdrückt und wieder ins Spüren kommt, kann sehr hungrig sein und will sich unbedingt alles holen, was versäumt wurde. Das ist verständlich. Doch als Erwachsene müssen wir lernen einen gesunden Umgang mit unseren Bedürfnissen zu bekommen.

Bedürfnisse und Bedürftigkeit sind unterschiedlich in ihrem Ausdruck und Qualität. Bedürftigkeit ist ein Ausdruck unerfüllter kindlicher Bedürfnisse. Sie können mitunter quälend sein und der Betroffene erlebt einen extremen Mangel, den die Umwelt dann erfüllen soll. Es sind Fixierungen und fühlen sich an, als wenn ohne die Erfüllung kein Leben mehr möglich ist. Oft richtet sich die Bedürftigkeit an andere Menschen mit dem Zwang und Druck, dass sie erfüllt werden sollen. Das erfüllen kindlicher Bedürfnisse können nur die Eltern in der Kindheit oder im erwachsenen Alter dann wir selbst. Kein Partner oder Freund ist hierfür verantwortlich. Oft braucht es dazu therapeutische Unterstützung, um die kindlichen Bedürfnisse zu erkennen und aufzuarbeiten.

Bedürfnisse auf der erwachsenen, reifen Ebene sind anderer Natur und freier im Ausdruck. Sie sind nicht gebunden an einer Person, sondern unabhängig. Dazu zählt auch eine Frustrationstoleranz. Da andere Menschen nicht für die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse verantwortlich sind, müssen wir auch lernen mit dem Nein anderer gelassen umzugehen. Denn nicht nur man selbst setzt Grenzen, sondern andere auch. Daher ist es aus meiner Sicht unumgänglich, wenn wir lernen Grenzen zu setzen und auf uns selbst zu schauen, sowie die Grenzen anderer zu respektieren. Erst dann kommen wir in Kontakt mit einem erwachsenen Umgang der Selbstfürsorge.

Selbstfürsorge und Selbstachtung haben die eigenen Grenzen und die Grenzen von anderen im Blick. Nur so kann auch ein soziales Miteinander funktionieren. Im Dialog kann verhandelt werden, welche Bedürfnisse gerade befriedigt werden können und Kompromisse eingegangen werden.

Grenzen bedeuten auch, verzichten zu lernen, Entscheidungen zu treffen und die Realität anzuerkennen. Selbstfürsorge beachtet die eigenen Grenzen – körperliche, seelische, finanzielle, zeitliche, … Man ist dazu angehalten immer wieder zu fragen, in welchem Rahmen man sich bewegt, um die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Denn auch hier gibt es einfach Grenzen, mit denen man sich aneinander setzen und die Realität anerkennen muss. Was ist mir möglich, um gut für mich selbst zu sorgen und im Gleichgewicht zu bleiben ohne anderen zu schaden?

TRAUMATA & GRENZEN

Traumata sind unverarbeitete Stresssituationen, meistens in der Kindheit, die bis in die Gegenwart wirken und zu Symptomen führen. Sie zeigen sich in Bezug auf Grenzen:

  • es fehlen Grenzen zwischen ICH-DU und es ist wenig Differenzierung vorhanden
  • Fehlen einer Grenze zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Festhalten am Trauma
  • Wiederholen der immer gleichen (negativen) Erfahrungen
  • Geringer Selbstwert, Leistungsorientierung, Kontrollverhalten
  • Fehlende Integration aggressiver Impulse und nicht NEIN-sagen können
  • Konflikten aus dem Weg gehen
  • Schuldgefühle, Scham, Wut/Groll, Kränkungen, Enttäuschungen
  • Körperliche Symptome
  • Emotional Cutoff, Kontaktabbruch/ innere Mauer

 

Bei einer Traumatisierung wurden Grenzen massiv überschritten. In der Kindheit haben wir durch die Abhängigkeit zu den Eltern wenig Möglichkeiten Grenzen zu setzen und sind dazu angehalten, uns an die Situationen und Bezugspersonen anzupassen. Was zu einer Traumatisierung führt ist individuell und kommt darauf an, welche innere und äußere Ressourcen zur Verfügung stehen, die Stresssituation zu verarbeiten.
Traumatisierte Menschen haben wenig bis kein Kontakt zu den eigenen Grenzen und können Grenzen anderer schlecht spüren oder respektieren.

Die therapeutische Arbeit an Grenzen ist bei Traumatisierungen unerlässlich. Ziel ist der Aufbau von gesunden Grenzen, um alten Stress nachzuverarbeiten, besser mit neuem Stress umzugehen, den Körper spüren zu lernen, Differenzierungen zu erkennen und aggressive Impulse auszudrücken.

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