LIEBEVOLLE BEZIEHUNGEN STÄRKEN
Beziehungen prägen unser Leben, unsere Erfahrungen, Erinnerungen und Gefühle. Unsere Beziehung zu Mitmenschen genauso wie die Beziehung zu uns selbst. Wie gestalten wir unsere Beziehungen? Was brauchen wir, um uns wohlfühlen? Welche zwischenmenschliche Umgebung und Umgang ist uns selbst wichtig?
Immer öfters wird von toxischen Beziehungen gesprochen. Selbst Jugendliche verwenden diesen Begriff inzwischen inflationär. Oft dient es jedoch dazu, sich selbst zu erhöhen und den anderen abzuwerten. Der eigene blinde Fleck, der eigene Anteil wird ausgeblendet. Schuld ist meistens der andere, der die Beziehung vergiftet. So richtig es ist, dass es verletzende Verhaltensweisen gibt, die null Toleranz erfordern. Desto wahr ist es auch, dass zu einer Beziehung immer zwei gehören.
Es führt in der Regel zu nichts, wenn wir uns am laufenden Band beschweren, wie mühsam, anstrengend, falsch, blöd, unachtsam, eben toxisch unser Gegenüber ist. Es kostet viel wertvolle Energie, bringt uns selbst in einen Strudel von negativen Emotionen und belastet Beziehungen. Dahinter steht doch letztlich der Wunsch, dass Beziehungen liebevoller, wertschätzender und angenehmer sein sollen. Daher können wir uns selbst die Frage stellen, was wir selbst dazu beitragen können, dass Beziehungen mehr an Substanz gewinnen und uns Halt, Wertschätzung und Nähe schenken. Und was uns daran hindert, an destruktiven Beziehungen festzuhalten anstatt zu gehen.
Lieblosigkeit macht krank
Lieblosigkeit macht krank – schon tausendmal gehört. Das ist nichts Neues und doch scheinbar so schwer umsetzbar. Viele Menschen leiden unter Menschen. Das sie nicht gesehen werden, keine Anerkennung oder Wertschätzung bekommen, kein Lächeln, keine mitfühlenden Worte, kein Verständnis. Die Liste wird lang, wenn tägliche Gespräche auf der Strasse aufgeschrieben werden würden. Man sieht es auch in den Gesichtern. Genervt, frustriert, gehetzt, wütend, erstarrt. Man mag gar nicht in diese Gesichter schauen.
Wer in lieblosen Beziehungen aufwächst, lebt oder arbeitet, wird über kurz oder lang krank. Jeder Mensch hat ein tiefliegendes Grundbedürfnis nach Verbundenheit und Autonomie. Werden diese Grundbedürfnisse immer wieder verletzt oder bleiben gar unerfüllt, werden Seele und Körper nachhaltig belastetet. Es entsteht eine körperliche Inkohärenz zwischen Erwartung, Sehnsucht nach Liebe oder Wertschätzung und dem Schmerz der Lieblosigkeit. Die Selbstregulation und damit die Balance zwischen dem sympathischen und parasympathischen Nervensystem wird geschwächt. Das Herz rast, der Körper verspannt, Hilflosigkeit und Ohnmacht machen sich breit. Eine Atmosphäre dauerhafter Lieblosigkeit und Beziehungskälte bringt das Nervensystem in einen stetigen Alarmzustand, der seelische und organische Erkrankungen zur Folge hat.
Lieblosigkeit trifft uns direkt im Herzen. „Mein Herz ist gebrochen“, „Mein Herz ist verschlossen“, „Mein Herz ist dunkel und kalt“, „Mein Herz hat eine dicke Mauer“, „Mein Herz hat viele Narben“ verdeutlichen das innere Erleben. Manche Menschen sterben an gebrochenem Herzen.
Das Herz wieder zu öffnen, sich auf Menschen einzulassen und von vergangenen Erfahrungen emotional Abstand zu nehmen, ist sicherlich nicht leicht und doch der einzige Weg, um liebevollen Beziehungen zumindest eine Chance zu geben.
In liebevollen Beziehungen bezieht man sich aufeinander
Liebevolle Beziehungen haben immer alle Beteiligten im Blick. Die eigenen Bedürfnisse sind genauso wichtig, wie die von anderen. Daher bleibt es nicht aus, dass wir als Erwachsene immer wieder um das Erfüllen unserer Bedürfnisse verhandeln müssen. Mal stehen eigene Bedürfnisse im Vordergrund und ein anderes Mal muss man sie zurückstellen.
Sich zurücknehmen zu können, ist eine besondere Fähigkeit, die auch ein Ausdruck von Wertschätzung ist. Es ist nicht zu verwechseln mit falscher Anpassung oder Unterordnung, indem ich von mir selbst innerlich Abstand nehme. Es ist ein bewusster Akt einer liebevollen Geste für andere, mit dem Streben nach einer Win-Win-Erfahrung für beide.
Denn was hält uns in Beziehungen, wenn wir nicht aneinander aus Angst, Eifersucht oder Abhängigkeit festhalten? Fürsorge, Verantwortung und Verpflichtung halten Beziehungen zusammen. Die klare Entscheidung für mein Gegenüber. Fürsorge und Verantwortung übernehmen wir, wenn wir uns Menschen vertraut machen. Wir achten nicht nur unsere Grenzen, sondern auch die Grenzen des anderen. Verpflichtung bedeutet, dass wir uns wichtige Menschen nicht nur schätzen oder lieben, wenn sie das tun, was wir wollen. Sondern auch ein Nein mit Gelassenheit respektieren.
Liebevolle Beziehungen hinterlassen ein Gefühl von Verbundenheit und Freiheit. Und nur der liebevolle Blick, die Wertschätzung und Achtung uns selbst und anderen gegenüber, überwindet dieses Paradoxon. Wir haben Raum in Beziehungen, können atmen und uns bewegen. Das lässt sich auch rein körperlich spüren.
Genauso gehört zu liebevollen Beziehungen, dass wir die Beziehung beenden, wenn es nicht mehr passt und kein gemeinsamer Weg mehr gefunden werden kann. So lassen wir los und gehen neue Verbindungen ein. Nichts ist für die Ewigkeit. Im Fluss des Lebens zu bleiben und zu vertrauen, ist eine Herausforderung, die wir uns immer wieder innerlich erarbeiten und bewusst machen können.
Unserem Gegenüber mit einem gesunden Abstand begegnen
Ein gesunder emotionaler Abstand ist wichtig für das Gleichgewicht in Beziehungen. Es braucht eine gesunde Grenzen, um Nähe und Distanz zu verbinden und Beziehungen lebendig zu halten. Geht die gesunde Grenze verloren oder fehlt von Anfang an, kann die Beziehung nicht mehr wachsen. Es passieren immer mehr Grenzüberschreitungen von beiden Seiten, unterdrückte Aggression, Konflikte oder ein Erkalten der Beziehung sind die Folgen.
Der gesunde Abstand ermöglicht, dass wir unser Gegenüber ganz sehen – mit den guten und schlechten Seiten. Wir können erkennen, dass jeder einen guten Kern und eigene Muster hat, genauso wie wir auch. Wenn wir dies im Blick haben, können wir entscheiden, ob wir mit den Mustern einen Umgang finden, ohne den anderen verändern zu wollen oder uns verabschieden müssen.
Es ist eine enorme Entlastung für Beziehung, wenn wir aufhören andere verändern zu wollen. Für uns selbst, für den anderen und für die Beziehung an sich. Es nimmt Druck aus der Beziehung und macht uns im Herzen weicher. So können wir einen liebevollen Blick auf uns selbst werfen, unsere Stärken und Schwächen sehen und im eigenen Tempo daran arbeiten oder auch nicht. Dies können wir dann auch ganz gelassen dem anderen zugestehen.
Ein freundlicher Mensch sein
Ein Lächeln ist eine wunderbare Geste. Wir können sie täglich einsetzen und bekommen viel zurück. Es tut dem eigenen Herzen und Körper gut. Und es ist schön, wenn ein Lächeln erwidert wird. Es entspannt den Körper sofort. Wir fühlen uns mehr verbunden, sind fröhlicher und positiver gestimmt.
Auch oder gerade wenn es uns nicht gut geht, kann es unterstützen, sich die Haltung immer wieder bewusst zu machen. Die kleinen Gesten im Alltag sind so wichtig. Das Lächeln an der Kassa, die Unterstützung, wenn jemand Hilfe braucht, ein nettes Kompliment bleiben in Erinnerung und schaffen Begegnung.
Unabhängig von anderen können wir uns jeden Tag entscheiden, freundlich zu sein. Das ermöglicht immer wieder, mit Menschen in Kontakt zu kommen, sie kennenzulernen und eine liebevolle Beziehung aufzubauen.
Die liebevolle Beziehung zu uns selbst
Für eine liebevolle Beziehung braucht es Zwei, das ist richtig. Alleine können wir keine liebevolle Beziehung gestalten. Die Verantwortung ist 50/50. Doch wir können uns genau auf unseren Anteil konzentrieren und den Teil der Verantwortung übernehmen, der zu uns gehört, wenn wir in destruktiven Beziehungen feststecken.
Die liebevolle Beziehung zu uns selbst, beschreibe ich mit einer guten Selbstverbindung, dem Wissen um eigene Bedürfnisse, eigene Grenzen und einem stabilen Selbstwert. Wir fühlen den Wert und die Würde aus uns selbst heraus und die damit verbundene innere Sicherheit, Ruhe und Stabilität.
Stress, negative Erfahrungen, alte Wunden, alles, was unserer Selbstverbindung im Wege steht, was uns von uns selbst trennt, können wir bearbeiten und diese Selbstverbindung wieder herstellen. Denn jeder Mensch hat einen unzerstörbaren inneren Kern, auch wenn manchmal der Zugang blockiert ist.