fbpx
Zum Inhalt springen

Beziehung auf Augenhöhe – Wie funktioniert das?

    AUF AUGENHÖHE HEIßT, DEN ANDEREN UND SICH SELBST ZU ACHTEN

    Seit ich die Autonomie-Aufstellungen in meine Arbeit integriere und noch stärker den Fokus auf eine gesunde Autonomieentwickkung lege, sehe ich Beziehungen nochmals unter einem anderen Blickwinkel. Grenzen setzen und Grenzen achten, sind der Kitt in Beziehungen, um sich weiterzuentwickeln, sich zu unterstützen, kooperativ zu handeln und Win-Win-Situationen zu kreieren anstatt sich gegenseitig zu blockieren, zu manipulieren und auszubrennen.

    Dabei geht es nicht nur um Paarbeziehungen, sondern um die grundsätzliche Gestaltung von Beziehungen. Es gehört immer eine gesunde Distanz und gesunde Nähe zu einer Beziehung, um das eigentliche Paradoxon von Freiheit und Verbundenheit zu leben. Menschen möchten frei und unabhängig sein und sich zugleich zugehörig fühlen, eingebunden in eine Gemeinschaft. Es ist existentiell notwendig, vertrauensvolle Menschen um sich zu haben, wo man sich mit seinen Stärken und Schwächen zeigen kann, wo man um Hilfe fragen und diese annehmen kann genauso wie man sein Gegenüber unterstützt.

    Die gesunde Grenze bietet überhaupt erst die Möglichkeit einen Kontakt und damit eine Beziehung auf Augenhöhe herzustellen. Ohne eine gesunde Grenze sind wir entweder mehr bei dem anderen als bei uns selbst oder wir sind in der Überabgrenzung. Eine gesunde Grenze bezieht immer den Anderen mit ein.

    In der Alltagssprache würde man von einer Beziehung auf Augenhöhe sprechen. Jeder wünscht sich diese, doch ich beobachte, wie wenig im Grunde an Wissen und an Fähigkeiten vorhanden sind, dies im Alltag umzusetzen. Es reicht nicht, sich eine Beziehung auf Augenhöhe zu wünschen oder den Anforderungskatalog an das Gegenüber zu formulieren, sondern es gehört auch dazu, alle diese Fähigkeiten selbst zu erlernen.

    Kontaktlosigkeit Beziehungen

    WENN DER ANDERE SICH ANDRES VERHALTEN WÜRDE, WÜRDE ES MIR GUT GEHEN 

    Wenn das Wörtchen WENN nicht wäre …
    Das eigene Glück machen Menschen viel zu sehr von anderen Menschen abhängig. So wird kostbare Zeit und Energie verschwendet, sich mit Dingen zu beschäftigen, die man nicht ändern kann. Kein Mensch in der Welt ist dazu fähig, einen anderen Menschen zu verändern. Man kann noch so lieb, brav, nett, angepasst, verständnisvoll, fordernd, manipulativ sein. Es funktioniert nicht und ist am Ende nur zum Scheitern verurteilt. Es gibt nur Verlierer und keine Gewinner.

    Eine Veränderung kann man nur bei sich selbst bewirken oder in einer Beziehung, wenn beide das wollen und jeder für sich, den eigenen Prozess aktiv verfolgt. Einer alleine reicht nicht.

    „Wenn er/sie mal an sich arbeiten würde, hätten wir keine Probleme und mehr Harmonie.“
    „Wenn mein Freund/ Freundin nicht alles bei mir abladen würde, wäre es mir leichter.“
    „Wenn mein Freund/ Freundin mich wirklich lieben würde, wäre ich endlich glücklich.“
    „Wenn er/sie nicht so viel Zeit bei der Arbeit, beim Sport, bei Freunden verbringen würde, wäre unsere Ehe besser.“

    Das sind Kernsätze, die nicht nur in der Therapie auftauchen, sondern überall. Es dreht sich immer wieder um die Anderen – den blöden Chef, die arrogante Kollegin, den schrecklichen Ex-Mann/Ex-Frau, egoistische Freunde und was der Andere tut oder nicht tut. Wie viel Verständnis man für die Situation des Anderen aufbringt, warum man gerade nicht das bekommt, was man braucht. Man wartet, hat Verständnis, entschuldigt, diskutiert, fordert, aber im Grunde ändert sich gar nichts. Null komma null.

    Jeder hat eine andere Lebensgeschichte, andere Bedürfnisse, andere Werte, andere Meinungen, andere Zukunftspläne. Entweder es passt oder es passt nicht. Und mit dem „Es passt“, ist nicht gemeint nur auf sein Recht zu pochen, sondern mit der gesunden Grenze den Kontakt herzustellen, um sich auszutauschen, sich zu arrangieren, sich zu verständigen, sich um Kooperationen zu bemühen. Doch dazu gehören zwei „Willige“.

    Toxische Paarbeziehungen

    In toxischen Paarbeziehungen zeigen sich häufig Dynamiken, die mit Leere-Erfahrungen verbunden sind. Man gibt viel rein und bekommt nichts zurück. „Ich liebe den Menschen so sehr, aber er/sie ist nicht da, ruft nicht an, hat keine Zeit, viele Ausreden, arbeitet zu viel, hört mir nicht wirklich zu, etc..“, sind wiederholende Aussagen. An dieser Stelle sollte sich jeder fragen, ob man mit einem Menschen lebenslang glücklich sein kann, der unzuverlässig ist, das Wort nicht hält, dich ängstlich fühlen lässt, kein Aufeinanderbeziehen vorhanden ist? Was liebst du daran, schlecht behandelt zu werden? Hier wiederholen sich alte Kindheitserfahrungen in aktuellen Beziehungen.

    Loslassen und sich Menschen suchen, wo es besser passt, ist die Herausforderung im Erwachsenenleben. Sie sind Teil der Autonmieentwicklung. Darin spiegelt sich die eigene Würde wieder und der Respekt vor dem Anderen. Dazu zählt insbesondere, sich den eigenen destruktiven Beziehungsmustern zu stellen und aufzuarbeiten. Denn wer hier nicht an sich arbeitet, kommt in der nächsten Beziehung mit großer Wahrscheinlichkeit wieder in das gleiche Fahrtwasser.

    Wie gehst du mit der Abgrenzung, einem NEIN von anderen um?
    Was tust du alles, um Anerkennung zu bekommen?
    Wie viel Verständnis hast du für das Fehlverhalten von anderen?
    Wie oft bist du anderen behilflich, ohne das der Andere gefragt hat?
    Wie sehr kannst du die Bedürfnisse des Anderen schon in den Augen lesen?
    Wie verantwortlich fühlst du dich für das Glück der anderen?
    Wie sehr kennst du mehr die Themen der Anderen als die eigenen Themen?
    Wie oft hast du das Gefühl erschöpft und ausgebrannt zu sein?

    IM RAUM DES ANDEREN HABEN WIR NICHTS VERLOREN

    Jeder Mensch hat das Recht sein Leben so zu gestalten und zu leben wie er/sie will und muss dafür die Konsequenzen tragen. Richten wir mehr die Aufmerksamkeit auf den Anderen – den Freund, die Freundin, die Eltern, die Kollegen – als auf uns selbst, entsteht Abhängigkeit. In der Regel sind es die kindlichen Abhängigkeitsmuster, die sich in den späteren Beziehungen wiederholen. Unbewusst sind wir immer noch mit den Eltern emotional verstrickt und nicht frei und autonom. Wir handeln aufgrund alter Erfahrungen, ohne sie als vergangen gespeichert zu haben. Das führt dazu, dass wir andere Menschen durch eine falsche Brille sehen und nicht ganz wahrnehmen. Wir agieren mit alten Beziehungsmustern, wundern uns dann, das Beziehungen nicht funktionieren und hängen es dem Anderen um.

    Konflikte in Beziehungen

    Die gute Nachricht ist, das muss nicht so bleiben. Jeder kann den Raum des Anderen verlassen und wieder zu sich selbst zu kommen. Beziehungen werden automatisch ruhiger, stabiler, harmonischer, wenn Menschen mehr bei sich selbst sind. Es ist die Grundvoraussetzung, um überhaupt eine Beziehung auf Augenhöhe zu führen. Menschen, die eine gute Selbstverbindung haben, wirken anziehend. Sie sind in ihrer Selbstachtung, wissen um die eigenen Grenzen und können die Grenzen anderer achten. Sie richten die Aufmerksamkeit auf sich selbst, um mit diesem souveränen ICH in Kontakt zu bleiben. Denn ein klares ICH und ein klares DU ergeben ein klares WIR (Martin Buber).

    Wenn emotional keine Abhängigkeiten bestehen, kann man einfach da sein, Menschen wirklich unterstützen und hilfreich sein. Sobald emotionale Abhängigkeiten im Spiel sind, ist das eigene Handeln nicht mehr frei, sondern manipulativ, anstrengend, dominant, angepasst. All die angeblichen Hilfen haben einen Beigeschmack. Und das spürt auch das Gegenüber. Eine Beziehung auf Augenhöhe wird unmöglich.

    Therapeutisch ist der Weg, den Raum des Anderen zu verlassen, indem man sich aus den unbewussten kindlichen Abhängigkeiten löst, die introjizierten Eltern loslässt und bei sich ankommt. Dann steht die ganze Lebenskraft zur Verfügung, das Selbstwertgefühl wächst und die innere Freiheit wird spürbar.

    DIE BEZIEHUNG AUF AUGENHÖHE 

    Das wahre Selbst – dieses wahre, souverän ICH ist die Basis für die Begegnung auf Augenhöhe. Wer sich selbst nicht gefunden hat, hat es schwer, eine Beziehung auf Augenhöhe führen. Auf Augenhöhe zu sein, bedeutet im Kontakt mit anderen bei sich selbst zu bleiben und nicht sich zu verlieren oder sich selbst zu verleugnen. Wer gut mit sich selbst verbunden ist, kann auch mit schwierigen Menschen umgehen und in seiner Ruhe und Kraft bleiben.

    Beziehung auf Augenhöhe

    In einer Beziehung auf Augenhöhe schaue ich mit einem liebevollen Blick auf mich selbst und den anderen. Geben und Nehmen ist in einem Gleichgewicht.

    Wie respektvoll geht dein Partner/Partnerin, Freund/Freundin oder Kollege/Kollegin mit dir um? In jeder Beziehung ist es ratsam gleich zu Beginn wahrzunehmen, welche Dynamiken sich zeigen. Oft wird zu wenig darauf geachtet, welche Qualitäten der Andere mitbringt und wie sie mit den eigenen Werten zusammen passen. Wenn dir Zuverlässigkeit wichtig ist, wirst du mit großer Wahrscheinlichkeit mit keinem unzuverlässigen Partner glücklich. Auch Angst hat in einer Beziehung nichts zu suchen – Angst vor Ablehnung, Angst den anderen zu verlieren, Angst nicht gut genug zu sein, etc. Das Eine ist also, sich über die Qualitäten und Fähigkeiten des Anderen bewusst zu werden, da wir sie nicht ändern können und auf der anderen Seite, die eigene Selbstverbindung und damit das Selbstwertgefühl zu stärken.

    Der eigene Raum ist ein Synonym für eine starke Beziehung zu uns selbst. Wir sind verbunden mit unserem wahren, erwachsenen Selbst und dem Potential des kindlichen Selbst. Das Grundgefühl „Ich bin okay ohne etwas zu leisten oder gebraucht zu werden.“ ist vorhanden sowie die Fähigkeit sich abzugrenzen ohne Schuldgefühle und anderen zu schaden. Man trägt für sich selbst und seine Bedürfnisse die volle Verantwortung.

    GRENZEN SETZEN & GRENZEN ACHTEN

    Mit der gesunden inneren Grenze weiß man um die eigenen Grenzen und achtet auch die Grenzen des Anderen. Meine Beobachtungen sind, dass beides, Grenzen setzen und Grenzen achten, schwierig ist.

    Grenzen setzen ist oft mit Ängsten vor Ablehnung begleitet, so dass man dem eher aus dem Weg geht. Anstatt eine gesunde Grenze zu setzen, richtet man die Energie gegen sich selbst, was sich in Selbstvorwürfen bis zum Selbsthass oder in psychosomatischen Symptomen zeigt. Oder man geht ganz aus dem Kontakt in die Überabgrenzung. Man lässt den anderen einfach stehen, sagt nicht offen, was einem selbst zu viel ist, sondern wechselt Themen, zeigt kein Interesse bis hin zum Ghosting. Das hat allerdings mit Grenzen setzen nichts zu tun, sondern zeigt nur die mangelnde Fähigkeit in Kontakt zu gehen. Die Konfrontation und Auseinandersetzung wird gescheut. Die Vermeidung wird Teil einer Pseudoautonomie, die die mangelnde Kontaktfähigkeit noch weiter verstärkt.
    Grenzen setzen, ist Kontakt. Grenzen setzen heißt, dem Anderen klar zu sagen, was man geben kann und was nicht. Genauso, wie sich auch aus einer destruktiven Beziehung zu verabschieden.

    Grenzen achten, ist genauso schwer, insbesondere für emotional abhängige Menschen. Sie sind übergriffig, dominant und manipulativ, ohne dass es ihnen bewusst ist. Da sie mehr im Raum des Anderen sind, fühlt sich dies für emotional abhängige Menschen sogar oft stark, fürsorglich und hilfsbereit an. Sie bekommen nicht mit, dass sie keine Grenzen achten und sich ständig bei anderen einmischen. Erkennen lässt sich dies, wer sich oft erschöpft oder überfordert fühlt. Diese Menschen ziehen häufig ihren Selbstwert daraus, für andere da zu sein oder fühlen sich nur wertvoll, wenn sie etwas leisten oder gebraucht werden. Damit geht jedoch ein übergriffiges Verhalten einher, was andere Menschen auf Distanz gehen lässt oder nur bedürftige Menschen anzieht.

    DAS FALSCHE SELBST

    Therapeutisch spiegelt sich hier das eigene falsche Selbst wieder bzw. der eigene Schatten. Das falsche Selbst entsteht aus mangelnder emotionaler Fürsorge der Eltern oder auch der Überfürsorge. Letzteres entsteht häufig, wenn die Mutter ihren Kinder das gibt, was sie selbst nicht bekommen hat. So kann sie ihr Kind nicht wirklich sehen, sondern gibt ihren Kindern das, was ihr eigenes inneres Kind braucht. Kinder beginnen entweder die Mutter abzulehnen oder sich an ihre Bedürfnisse anzupassen.

    Donald W. Winnicott, Kinderarzt und Psychoanalytiker, hat in den 40er Jahren den Begriff des falschen Selbst in der psychotherapeutischen Arbeit geprägt. Das falsche Selbst ist auf Identifikationen aufgebaut, d.h. wie man sein sollte oder müsste. Damit sind immer Erwartungen verbunden, die wir unbewusst in der Kindheit übernommen haben. Aus Angst die Eltern zu verlieren, zu enttäuschen, abgelehnt oder abgewertet zu werden, übernimmt das Kind enorme Anstrengungen sich anzupassen. Das eigene wahre Selbst wird verleugnet, um die Anerkennung von den Eltern zu bekommen und so gesehen zu werden, wie man ist und nicht wie man sein sollte „Der Sonnenschein“, „Die Prinzessin“, „Der Hoffnungsträger“, etc. Als Kind ist man abhängig von den Eltern, so dass bei unbefriedigten Kernbedürfnissen (Liebe, Vertrauen, Kontakt, Resonanz, Autonomie), existentielle Gefühle wie Angst, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Kontrollverlust oder Schuldgefühle auftauchen. Diese wiederholen sich im späteren Leben bei Triggersituationen.

    „Das Konzept von einem falschen Selbst braucht als Gegengewicht eine Formulierung dessen, was man angemessenerweise als das wahre Selbst bezeichnen könnte. Nur das wahre Selbst kann kreativ sein, und nur das wahre Selbst kann sich real fühlen. Während ein wahres Selbst sich real fühlt, führt die Existenz eines falschen Selbst zu einem Gefühl des Unwirklichen oder einem Gefühl der Nichtigkeit.

    Das wahre Selbst kommt von der Lebendigkeit des Körpers und dem Wirken der Körperfunktionen, einschließlich der Herzarbeit und Atmung. (…) Das wahre Selbst hat im gesunden Leben einen Aspekt des Sich-Fügens und der Fähigkeit zu Kompromissen. Beim Gesunden hört der Kompromiss jedoch zugleich auf, wenn es um entscheiden Fragen geht. Das wahre Selbst setzt sich gegenüber dem gefügigen Selbst durch.“ (Winnicott 1974)

    Der Kontakt zum wahren Selbst ist der Schlüssel, um sich von dem falschen Selbst zu lösen, welches sich in der Kindheit als Überlebensstrategie entwickelt hat. In den Online-Autonomie-Aufstellungen hat sich die Arbeit in dieser Hinsicht mit dem wahren und dem falschen Selbst als sehr fruchtbar erwiesen. Nicht nur in der Arbeit mit dem falschen Selbst der Eltern, sondern auch mit dem eigenen falschen Selbst.

    Beziehungen und gesunde Grenze

    BEZIEHUNGSKLÄRUNGEN MIT DEN ONLINE-AUTONOMIE-AUFSTELLUNGEN

    „Wenn es irgendwo bedingungslose Liebe gibt, dann bei deinem Selbst“ ist eine zentrale Aussage in den Autonomie-Aufstellungen. Sobald man erwachsen ist, trägt man die Verantwortung für das eigene Leben selbst. Was man von seinen Eltern nicht bekommen hat, wird nicht mehr kommen und muss darauf verzichten. Man muss sozusagen für sich selbst gute Eltern werden.

    Die Autonomie-Aufstellungen sind eine Methode, um die ICH-Struktur zu stärken, den eigenen Raum wieder zu spüren und die Selbstverbindung aufzubauen. Viele Menschen kennen ihr wahres Selbst nicht, da sie sich früh schon haben abspalten müssen von dem wahren, souveränen Selbst. Das kindliche Selbst wird mit dem schweren in der Kindheit verwechselt und der Kontakt vermieden. So steht das eigene Potential nicht zur Verfügung und es entsteht wieder Abhängigkeit.

    Die Selbstintegration ist daher ein wesentlicher Teil des Aufstellungsprozesses in den Beziehungsklärungen und Traumaverarbeitung.