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Parentifizierung – Wenn Kinder die Verantwortung für ihre Eltern tragen

PARENTIFIZIERUNG – DIE ROLLENUMKEHR IN DER ELTERN-KIND-BEZIEHUNG

Wenn Kinder für ihre Eltern bewusst oder unbewusst Verantwortung übernehmen, hindert dies am eigenen Leben. Oft zeigen sich erst in den Spätfolgen die Auswirkungen der massiven Grenzüberschreitung und Missbrauchs. 

Die Parentifizierung, die Rollenumkehr in der Eltern-Kind-Beziehung, ist ein Entwicklungstrauma. Spätfolgen zeigen sich in einem geringen Selbstwert, fehlenden Grenzen, Überforderung, unterdrückte Wut, Schuld- und Schamgefühle, Pseudoautonomie, falsche Loyalitäten, überhöhtes Pflichtgefühl, übersteigertes Harmoniebedürfnis, Suchtverhalten, destruktiv abhängigen Beziehungsdynamiken im Privatleben und Beruf.

Es gibt verschiedene Ausprägungen der Parentifzierung und doch ist die Grunddynamik immer die Gleiche: Es handelt sich um die Rollenumkehr zwischen Eltern und Kind. Dabei übernehmen die Kinder die Elternrolle – entweder in konkreten Alltagssituationen oder emotional. Beides führt zu schwerwiegenden und lebenseinschränkenden Folgen.

Der emotionale Missbrauch ist jedoch oft weniger offensichtlich und diese folgenschwere Dynamik wird viel später – meistens erst in der Therapie – bewusst.

Doch nicht nur den späteren Erwachsenen ist die Rollenumkehr selten bewusst, sondern auch den Eltern. Sie opfern sich für ihre Kinder auf, missbrauchen sie für ihre eigene Bedürftigkeit, haben narzisstische Züge, impfen Schuldgefühle ein oder sind psychisch oder körperlich krank – ohne zu erahnen, was sie ihren Kindern mit ihrem missbräuchlichen und manipulativen Verhalten antun.

Für Betroffene ist es oft ein jahrelanger Weg sich aus der Rollenumkehr ganz zu lösen. In der Regel kennen sie es nicht anders und die Muster zeigen sich später in Partnerschaften, Freundschaften und im beruflichen Umfeld. Sie kommen dann in Therapie, weil sie sich ausgebrannt fühlen, Beziehungen scheitern, sich leer fühlen oder nicht ihr eigenes Leben leben. Der Blick richtet sich nach der Erfüllung der Bedürfnisse anderer, Impulse für ein eigenständiges Leben werden durch Ängste und Schuldgefühle immer wieder ausgebremst.

Um sich aus der Rollenumkehr zu lösen und in ein autonomes Leben hineinzuwachsen, ist die Arbeit an der Selbstverbindung und gesunden Grenzen zentral. Dabei wird immer wieder daran gearbeitet sich aus falschen Schuldgefühlen zu lösen, die eigenen Bedürfnisse kennenzulernen und auf einer Erwachsenenebene zu befriedigen.

ROLLENUMKEHR MIT FATALEN FOLGEN

Bei einer Parentifizierung sind die Rollen vertauscht. Kinder fühlen sich (unbewusst) nicht beschützt, geborgen oder gehalten. Im Gegenteil spüren Kinder bereits vorgeburtlich, wenn Eltern gestresst, traumatisiert oder krank sind, sich ständig streiten, selbst nicht genug Halt bekommen haben oder nicht ganz bei sich sind. Sind die wesentlichen Fähigkeiten für eine „holding environment“ (Winnicott) bei den Eltern nicht vorhanden, beginnen Kinder sich anzupassen und den Eltern das zu geben, was sie selbst bräuchten. Das führt zu einer hochgradigen Überforderung des Kindes und damit schon früh zu stressgeladenen Überlebensstrategien bzw. einer chronischen Stressreaktion.

Die Entwicklung eines gesunden Selbstwertes und stabilen Selbstregulation wird unmöglich.

Kinder übernehmen die Rolle als Berater, Mediator, Vertrauter, Partnerersatz, Verantwortung für Geschwister oder leben die unerfüllten Sehnsüchte der Eltern. All diese Funktionen hindern die freie Entfaltung des Kindes und schränken es im eigenen Ausdruck sowie Autonomiestreben ein.

Das hohe Einfühlungsvermögen der Kinder macht die Rollenumkehr im Außen oft nicht sichtbar. Alles läuft ganz automatisch, wirkt „normal“, da die Kinder sehr angepasst sind und viel Leistung bringen. Ihnen fällt es selbst nicht auf und die fatalen Folgen zeigen sich erst später im Erwachsenenalter.

Parentifizierungen zeigen sich nicht nur in der Eltern-Kind-Beziehung, sondern auch in Partnerschaften. Hier übernehmen die jeweiligen Partner eine (unbewusste) Elternrolle. Auch hier sind unerfüllte Kernbedürfnisse in der Kindheit eine tragende Rolle, dessen Erfüllung dann vom Partner übernommen werden sollen und immer zur Enttäuschung und Vorwürfen führen. Die Grenzen zwischen den Partnern verschwimmen. Es fällt schwer NEIN-zu sagen, genauso wie eine Abgrenzung des Gegenübers oft als Kränkung empfunden wird.

Auch ein Anfälligkeit für Süchte zeigt sich bei Kindern, die parentifiziert sind/waren. Die Bedürftigkeit ist immens groß, wie bei einem hilflosen Säugling. Die Ersatzbefriedigungen können den Mangel jedoch nicht ausgleichen. Im Gegenteil wird der Mangel größer. Um den Mangel und die damit verbundene Verzweiflung nicht zu spüren, werden die Ersatzhandlungen ob Essen, Arbeit, Einkaufen, Drogen immer ausgeprägter, finden kein Ende und keine innere Ruhe.

PSEUDOAUTONOMIE, SCHULDGEFÜHLE & ÜBERFORDERUNG

Da ein Kind nicht Kind sein durfte und früh (emotional) Verantwortung hat übernehmen müssen, entwickelt sich eine Pseudoautonomie.

Betroffene sind in einer Dynamik gefangen, niemanden zu brauchen, alles alleine zu bewerkstelligen oder sich nur auf sich selbst zu konzentrieren. Nach außen mag dies selbstbewusst oder eigenständig wirken, doch die Autonomie ist nur ein Schein und Ausdruck eine Überlebensstrategie. Die Überlebensstrategie ist eine Überabgrenzung und damit ein Kontaktabbruch. Daher fühlen sich Menschen tief im Inneren oft einsam oder leer. Der Aufbau von gesunden Beziehungen, die eine konstruktive Art und Weise der Abhängigkeit beinhalten und von einem Geben und Nehmen getragen sind, sind für Menschen mit der Erfahrung der Parentifizierung schwer. Das Geben fällt in der Regel leicht, doch das Nehmen ist blockiert.

Scham-und Schuldgefühle sind bei einer Parentifizierung vorprogrammiert. Wenn Kinder emotional missbraucht oder manipuliert werden, zeigen sich Schuldgefühle bei jeder Bewegung in Richtung Autonomie. Auch wenn sie hinaus in die Welt gehen, fühlen sie sich immer irgendwie verantwortlich für die Eltern und deren Wohlbefinden. Sie kümmern sich aufopfernd um die Eltern und leben nicht ihr eigenes Leben. In kindlicher Treue leben sie ein Leben für die Mutter, den Vater oder auch den PartnerIn. Der Missbrauch führt bei den Betroffenen zu starken Schamgefühlen.

Psychisch kranke Eltern, traumatisierte oder narzisstische Eltern sind Ursachen für die destruktive Beziehungsdynamik zwischen Eltern und Kind. Die Eltern sind nicht in der Lage für ihre unerfüllten Bedürfnisse selbst zu sorgen und missbrauchen emotional ihre Kinder. Sie sehen ihre Kinder nicht in ihren Bedürfnissen, sondern projizieren eigene Bedürfnisse auf sie. Oder die Eltern sind schwach und nutzen die Kraft der Kinder – emotional oder auch bei alltäglichen Aufgaben, wie auf Geschwister aufpassen, Besorgungen machen, den Haushalt führen, etc. Manchmal haben Kinder Angst, dass Eltern etwas zustoßen würde, wenn sie sich nicht um sie kümmern. Dabei entstehen starke emotionale Abhängigkeiten, die von Ängsten, Scham- und Schuldgefühlen, Ohnmacht und unterdrückter Wut geprägt sind.

Diese verstrickten/symbiotischen Beziehungen sind hochstressgeladen und massiv überfordernd. Sie ziehen Lebensenergie ab, die für das eigene Leben gebraucht wird. Andere Beziehungen sind häufig von dem gleichen Muster geprägt und so kommt es zu immer weiteren Verstrickungen, die Betroffene immer weiter von sich selbst wegbringen.

Um die stetige Überforderung zu verdrängen, werden Überlebensstrategien entwickelt. Oft ist es eine Härte gegen sich selbst, keine Hilfe annehmen können, alles alleine machen, misstrauisch sein oder sich für andere aufzuopfern.

Ein weiterer Aspekt der Folgen einer Parentifizierung zeigt sich in der Umkehr vom Opfer zum Täter. Das Muster anderen Menschen aufopfernd zu helfen, bleibt auch im Erwachsenenalter aufrecht, wenn dies nicht aufgearbeitet wird. So besteht die Gefahr vom Opfer zum Täter zu werden im Kleide eines Wohltäters. Sie projizieren die eigene Not in die Hilfsbedürftigen und haben ständig Menschen um sich herum, die ihre Hilfe benötigen. Das Helfen wird zum Selbstzweck und ist hoch egoistisch, da es um das Verbergen des eigenen Mangels geht und weniger um eine unabhängige Hilfe. Irgendwann werden Ansprüche, Forderungen gestellt oder Druck ausgeübt, um Anerkennung für die Aufopferung zu bekommen. Sie wiederholen die Dynamik der Rollenumkehr der Eltern-Kind-Beziehung und unterstützen nicht die Hilfesuchenden, sondern benutzen sie für ihre eigene Bedürfnisbefriedigung. Permanente Grenzverletzungen sind Teil des Abhängigkeitsverhältnisses und kann sich in allen Beziehungsformen zeigen.

SICH AUS DEM EMOTIONALEN MISSBRAUCH, DESTRUKTIVEN ABHÄNGIGKEITEN UND SCHULDGEFÜHLEN LÖSEN
mit den Online-Autonomie-Aufstellungen

Parentifizierung

Ein Kind, dass auf seine Eltern oder Partner aufpasst, leidet. Es verliert an Freiheit und Leichtigkeit. Die Selbstverbindung ist brüchig oder ganz abgespalten.
Ein ganz wichtiger Schritt ist, anzuerkennen, dass man keine Schuld an den Problemen der Eltern hat und nicht für deren Wohlbefinden verantwortlich ist. Was kognitiv vielleicht schnell einleuchtend und verständlich ist, ist emotional jedoch ein schwieriger Prozess.

Ein Kind, dass auf seine Eltern oder Partner aufpasst, leidet. Es verliert an Freiheit und Leichtigkeit. Die Selbstverbindung ist brüchig oder ganz abgespalten.
Ein ganz wichtiger Schritt ist, anzuerkennen, dass man keine Schuld an den Problemen der Eltern hat und nicht für deren Wohlbefinden verantwortlich ist. Was kognitiv vielleicht schnell einleuchtend und verständlich ist, ist emotional jedoch ein schwieriger Prozess.

Eltern sind für sich selbst verantwortlich und ihre Kinder. Kinder tragen keine Verantwortung, wie man mit ihnen umgegangen ist und was man ihnen als wehrloses Kind angetan hat. Erst wenn sie erwachsen sind, tragen sie die Verantwortung, sich aus den Abhängigkeiten zu lösen und das eigene Leben zu gestalten.

Im therapeutischen Prozess wird immer wieder daran gearbeitet, die Verantwortung und die Lasten zurückzugeben. Wir können erst bei uns selbst ankommen, wenn wir uns aus der falschen Verantwortung lösen und damit die Verantwortung für uns selbst übernehmen können. Der Aufbau einer gesunden Grenze zu den Eltern, den Generationen und auch zu unseren Partnern und Freunden ist dabei unumgänglich. Mit der gesunden Grenze wird der eigene Raum spürbar und die Selbstverbindung erst möglich.

Mit der Selbstverbindung sind wir im Kontakt mit unserem inneren Kern oder auch wahren Selbst. Dazu zählen die eigenen Bedürfnisse spüren lernen, ein positives Selbstbewusstsein aufzubauen, lernen sich helfen zu lassen, Bindungen einzugehen, destruktive Beziehungen zu beenden und die Grenzen anderer zu respektieren.

Das parentifizierte Muster anderen zu helfen, um Anerkennung oder Liebe zu bekommen, wird Schritt für Schritt mit dem wachsenden Selbstwert unterbrochen. So gelingt es neue Beziehungen aufzubauen, die von einer Begegnung auf Augenhöhe und Autonomie geprägt sind. Denn um diese möglich zu machen, muss der eigene Selbstwert stabil sein und die eigenen destruktiven Muster aufgelöst werden. Sonst bleibt es bei ausbeuterischen Beziehungsdynamiken, privat oder beruflich.

Projektionen werden aufgelöst, indem der eigene Mangel bewusst wird und die damit verbundene Bedürftigkeit gefühlt wird. Das kann schmerzhaft sein, doch es ist ein ganz gesunder Schmerz. So kann der Verlust betrauert und dann losgelassen sowie für die eigenen Bedürfnisse Verantwortung übernommen werden.

Mit den Online-Autonomie-Aufstellungen wird auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig gearbeitet: 

  • der Aufbau der gesunden Grenze und der Selbstverbindung
  • Stabilisierung des Selbstwertes
  • Rückgabe der Lasten an die Eltern
  • Sich vom Schicksal der Eltern lösen
  • gesunde Abgrenzung zu den Eltern
  • Sich von dem gestörten Familiensystem lösen, oft über Generationen
  • lösen des destruktiven Musters der Parentifizierung
  • Aufdecken und Lösen der eigenen Überlebensstrategie
  • Ausdruck unterdrückter Wut und Auflösung der Retroflektion (Wut gegen sich selbst)
  • die Übernahme der Eigenverantwortung

Das Lösen aus einer Parentifizierung ist ein therapeutischer Prozess, wo die stressgeladenen Erfahrungen nachverarbeitet werden und Autonomie aufgebaut wird. Mit der lösungsorientierten Intensivtherapie werden Schritt für Schritt, die aus der Parentifizierung destruktiven Lebensmuster bearbeitet und gelöst. Dabei werden mit jeder Aufstellung – Beziehungsklärungen und Traumaaufstellung – einzelne Stressoren (belastende Lebenserfahrung) ins Bewusstsein geholt, bearbeitet und mit der gesunden Grenze die Selbstverbindung immer weiter gestärkt.