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Körper, Stress & Trauma

KÖRPER, STRESS & TRAUMA – OHNE KÖRPER GEHT ES NICHT 

„Ohne Körper geht es nicht“ – Der Körper muss im therapeutischen Prozess mit einbezogen werden. Ganz bewusst schreibe ich hier „muss“. Wir alle sind Körperwesen, erleben und erfahren uns über den Körper. Wir treten mit unserem Körper in Kontakt mit der Umwelt, nehmen die Umwelt auf und drücken uns mit unserem Körper aus. Unser Körper zeigt Symptome, wenn wir unsere Grenzen überschreiten oder unsere Grenzen von anderen verletzt werden.

Der Körper wird oft vernachlässigt und der Kopf mit unseren Gedanken bekommt zu viel Raum. Wir versuchen mit dem Kopf Lösungen für Probleme zu finden, verlieren uns im Gedankenkarussell ohne in die Handlung zu kommen oder genau das Gegenteil ständig beschäftigt zu sein. Dabei geht der wichtigste Impulsgeber verloren. Erst mit der Verbindung zum Körper können wir Heilung erfahren, in Einstimmung mit uns selbst handeln und auf unser Herz oder innere Stimme hören. Wenn Kopf und Körper im Einklang sind, erleben wir uns selbst als kongruent, Ruhe und Stabilität kehrt ein.

Therapie hat mit zur Aufgabe, den Kontakt zum Körper wieder herzustellen und eine Beziehung aufzubauen. Stress/Trauma spaltet und führt uns weg von unserem Körper, um den Schmerz nicht zu spüren. Eine sinnvolle Überlebensstrategie im Akutfall, jedoch nicht als Dauerlösung, da damit ein hoher Spannungszustand verbunden ist. Den Köper zu bewohnen, baut alte Überlebensstrategien ab und bringt die (Wieder-)Verbindung mit uns selbst.

WAS BEDEUTET STRESS & TRAUMA FÜR DEN KÖRPER? 

Körper, Stress und Trauma

Wichtig für den stressorbasierten Ansatz in der Psychotherapie ist das Verständnis, dass Trauma und Stress sich nur in der Schwere der unmittelbaren Einwirkung unterscheiden, nicht in den Auswirkungen auf den Organismus.

Stress hat immer einen körperlichen Ausdruck, das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, Körperteile sind angespannt, der Stoffwechsel verändert sich und die Konzentration der Stresshormone steigt. Auf Dauer entwickeln sich Symptome, die durch die entzündlichen Prozesse begünstigt werden. Unser Nervensystem kann nicht zwischen positiven und negativen Stress unterscheiden. Daher ist ein therapeutisches Ziel einen gesunden Rhythmus von Anspannung und Entspannung zu entwicklen, um das Window of Tolerance zu vergrößern, d.h. mehr Erregung zuzulassen, ohne Stress zu erzeugen.

Gegenwärtige Stresserfahrungen

Gegenwärtige Stresserfahrungen, die wir nicht mehr regulieren können, sind häufig ein Resultat aus frühkindlichen Entwicklungs- bzw. Bindungstraumata. Die in der Kindheit notwendigen Schutzmechanismen sind im Erwachsenenalter nicht mehr zielführend und hindern das eigene Leben zu gestalten. Stress aus Entwicklungstraumata ist Betroffenen oft nicht bewusst. Häufig berichten sie auch von einer schönen Kindheit. Doch die seelischen und körperlichen Symptome sprechen eine andere Sprache. Ein Nicht-gesehen oder Nicht-gehört werden, hoher Leistungsdruck, enge Wert- oder Moralvorstellungen, Geheimnisse und Unterdrücktes im Familiensystem, Missachtung, Abwertung, körperliche und seelische Gewalt sind alles Faktoren, die die natürliche Entwicklung hemmen und Stress erzeugen. Der unverarbeitete Stress von damals wird im Hier&Heute getriggert und führt dazu, dass wir den Boden unter den Füßen verlieren, uns in Gedanken flüchten, keine Entscheidungen treffen können, Funktionieren, unsere Bedürfnisse nicht mehr spüren und uns vom Körper abspalten. Der Körper kann sich nicht mehr selbst regulieren, d.h. der Rhythmus von Anspannung und Entspannung ist gestört und es bleibt eine chronische Anspannung.

Destruktive Familieninteraktionen

Wer in destruktiven Familiendynamiken groß geworden ist, kennt häufig nichts anders als eine chronische Anspannung. Perfektionismus, Funktionieren, Kontrolle, Helfersyndrom werden oft als Charaktereigenschaften interpretiert. Dabei ist zu beobachten, dass sich dahinter eine große Anspannung verbirgt und die Fähigkeit gelassen und entspannt zu sein, mäßig bis gar nicht vorhanden ist. Auch wird Entspannung von chronisch gestressten Menschen oft falsch interpretiert. Der Körper schaltet sich ab, man ist tief erschöpft und zu keiner Handlung fähig. Dabei ist Entspannung ein angenehmer Zustand, in dem der Körper zur Ruhe kommt und man weiter präsent bleibt. Beides, die Über- als auch die Untererregung, sind Ausdruck von massiven Stresserfahrungen und eine Dysregulation des Körpers. Symptome treten in der Regel nicht unmittelbar auf, sondern viel später. Chronischer Stress in der Kindheit zeigt sich oft erst im Erwachsenenalter, so dass Betroffene den Zusammenhang in der Regel nicht identifizierten können.

Tägliche Erfahrungen

Der Psychiater Dr. Gaensbauer legt aus seinen Beobachtungen dar, dass sogenannte traumatische Ereignisse, wie Geburt, Tod naher Familienangehöriger, etc. als solche eine sehr viel geringere Rolle bei der Bildung pathologischer seelischer Strukturen spielen als die Störungsmuster, die aus täglich wiederholten Erfahrungen entstehen, welche ihrer Natur nach weniger dramatisch, aber dafür hartnäckiger sind.

Die von Gaensbauer benannten täglichen Erfahrungen werden heute unter dem Entwicklungstrauma zusammengefasst, wie Abwertungen, Vergleiche mit anderen, enge Moralvorstellungen, hohe Leistungsansprüche, Nicht-Gesehen- und Nicht-gehört-werden, zu wenig Körperkontakt, zu viel Kontakt mit gestressten Bezugspersonen, allein gelassen werden. Alles sind wiederholende Erfahrungen einer gestörten Interaktion mit einer Bezugsperson, die ein hohes Stressniveau auslösen. Dadurch werden schon früh Muster angelegt, wie wir die Welt wahrnehmen.

Körpergrenzen

In Bezug auf unsere Körpergrenzen findet die Entwicklung in den ersten zwei bis drei Lebensjahren statt. Diese Zeit braucht ein Kind, um im Körper anzukommen, eine Wahrnehmung für die eigenen Körpergrenzen zu entwickeln und den Körper zu bewohnen. Frühe Verletzungen und Stresserfahrungen (wie auch Geburtstraumata) verhindern das Ankommen und führen zu einer Abspaltung des Körpers. Betroffene sind häufig sehr auf ihre Umgebung fokussiert und feinfühlig in der Wahrnehmung ihrer Umwelt. Doch sie können sich selbst kaum oder gar nicht spüren. Manchmal zeigt sich ein Verschmelzen mit der Umwelt oder dem Gegenüber, was zu einem Selbstverlust führt und zu einem hohen Stresserleben.

Therapeutisch ist das Ziel die eigene Wahrnehmung auf den Körper zu schulen, Grenzen spüren zu lernen, im Körper anzukommen und den eigenen Raum zu bewohnen. Das gibt Sicherheit und sind wesentliche Faktoren für einen stabilen Selbstwert und gesunde Beziehungen.

PSYCHOSOMATIK & PSYCHONEUROIMMUNOLOGIE 

Die Psychosomatik und das neuere Forschungsfeld der Psychoneuroimmunologie zeigen auf wissenschaftlicher Ebene den Zusammenhang zwischen Psyche, Körper und Immunsystem.

Immunologische Reaktionen haben immer einen psychosozialen und psychischen Hintergrund. Emotionale Belastungen lassen Entzündungsmarker steigen und schwächen nachweislich das Immunsystem. Es ist erwiesen, dass ein Krankheitserreger, ein Sonnenbrand, ein Beinbruch oder eine Wunde sehr ähnliche Reaktionskaskaden erzeugen wie Zorn über den Partner, Angst um den Arbeitsplatz oder Stress bei einer Prüfung“, sagt der Psychoneuroimmunologe Prof. Dr. Dr. Christian Schubert. Daraus folgt, dass emotionaler Stress die gleiche Wirkung hat und genauso gesundheitsschädlich ist wie körperlicher Stress.

Chronische Dysregulation

Symptome sind bereits der Ausdruck einer (chronischen) Dysregulation. Dabei können Symptome viele Jahrzehnte später entstehen und sind häufig Folgen von frühkindlichen Traumatisierungen. Die permanente Dysregulation bringt unseren natürlichen Rhythmus von Anspannung und Entspannung aus dem Gleichgewicht.

Dr. Laurence Heller, Gestalttherapeut und Begründer des Neuro Affektive Relational Model schreibt dazu: „Wir sind in einem Zustand von permanent hoher Aktivierung und chronischen Stress. Die erhöhte Wachsamkeit und Fokussierung der Aufmerksamkeit wandeln sich zu einer ständigen inneren Halbachtstellung und Schreckhaftigkeit. Die Wahrnehmung der eigenen Gefühle und Bedürfnisse wird dabei immer mehr abgeschaltet. Die ursprüngliche freudige Aufregung wird zu einer dauernden Nervosität, inneren Unruhe und Ängstlichkeit. Der lustvolle Tatendrang verwandelt sich in einen permanent inneren Druck, etwas tun zu müssen. Die klaren und fokussierten Gedankengänge werden zu einem ständigen Gedankenkreisen, das nicht abzuschalten ist. Konzentrationsschwierigkeiten und Schlafstörungen treten auf. Die gesunde Muskelspannung wird zur chronischen Anspannung der Muskeln und des Bindegewebes. Der Blutdruck ist dauerhaft erhöht. Außerdem können Herz-Kreislauf-Probleme, Magen-Darm-Probleme, Magen-Darm-Beschwerden sowie diverse psychosomatische Symptome entstehen. Der Parasympathikus und die entsprechende Entspannungsreaktion haben dabei keine Chance mehr, die Oberhand zu gewinnen. Der Sympathikus dominiert das Geschehen. Dieser Zustand kann über Wochen, Monate, Jahre und sogar Jahrzehnte andauern. Langfristig kann er zu organischen Beeinträchtigungen sowie zu Schädigungen des Gehirns führen. Wenn wir an diesem Punkt nicht für Entspannung sorgen und uns mit unseren Überlebensstrategien auseinandersetzen, übernimmt der Körper die Regie. Der Körper regiert mit einem Shutdown, schaltet sich selbst ab und schützt sich dabei vor sich selbst. Die Entspannungsreaktion wird zu einer Erschöpfungsreaktion, in der uns jegliche Energie fehlt und wir uns wie gelähmt fühlen. Stress und Erschöpfung sind gleichzeitig vorhanden.“

Die Psychoneuroimmunologie bringt ein neues Verständnis in die Medizin und zeigt, welchen Einfluss chronischer Stress auf die Entstehung von Autoimmunkrankheiten hat. Die Forschungen aus der Psychoneuroimmunologie geben Hinweise, dass die Entzündungsreaktionen einer Autoimmunerkrankung bereits sehr früh im Leben durch belastende Erfahrungen entsteht. Die aus der Balance geratene und gestörte Fähigkeit der Stressverarbeitung kommt später im Leben zum Vorschein, wenn der Stress nicht mehr kompensiert werden kann und das System zusammenbricht.

 Bisher können Autoimmunkrankheiten nicht geheilt werden und lassen sich nur mit Medikamenten behandeln. Doch medizinische Studien zeigen nun, dass es einen Zusammenhang zwischen unterdrücktem Zorn und der Entwicklung einer Autoimmunkrankheit gibt. Dabei richtet sich die Aggression gegen den eigenen Körper anstatt nach außen.

In der gestalttherapeutischen Arbeit ist diese Dynamik seit Beginn verankert und wird als Kontaktabbruch verstanden. Die Retroflektion ist ein Mechanismus, indem wir uns selbst das antun, was wir anderen gerne antun würden. Wir unterdrücken unseren Ärger und richten ihn gegen uns selbst. Daraus entstehen Körpersymptome, wie Verspannungen, Klos im Hals, Magen-Darm-Probleme, etc. In der therapeutischen Arbeit werden die Prozesse in die richtige Richtung gelenkt – von innen nach außen. Dabei tauchen häufig die inneren Verbote auf, die eine Retroflektion mit auslösen, wie Glaubenssätze, Wertvorstellungen, Innere Richter und Gefühle der Angst, Scham und Schuld. Sie verhindern eine gesunde Aggression und blockieren den unseren Schutzreflex. Diese aggressive Energie gilt es umzukehren, Unterdrücktes wahrzunehmen und adäquat auszudrücken, um blockierte Kräfte zu mobilisieren und den Körper von der Starre wieder in Bewegung zu bringen.

INTEGRATION DES KÖRPERS FÜR EINE STABILE SELBSTREGULATION

Kosten Psychotherapie

Um mit schwierigen Situationen gelassen umzugehen, sich gut abgrenzen zu können, für sich selbst gut zu sorgen, in die Ruhe und Kraft zu kommen und für einen gesunden Selbstwert, braucht es eine stabile Selbstregulationsfähigkeit.

Aus meiner Erfahrung bringt unabhängig von dem methodischen Vorgehen Therapie wenig, wenn nicht der Körper wieder in die Selbstregulation gebracht wird. Denn im Grunde sind die meisten Störungs- und Symtombilder ein Ausdruck einer Selbstregulationsstörung. Eine stabile Selbstregulation ist die Basis, um aus sich selbst heraus das eigene Leben zu gestalten und auch mit schwierigen Situationen gelassen umzugehen. Zudem muss der TherapeutIn selbst eine stabile Selbstregulation haben, um Betroffene zu Beginn mit der Co-Regulation zu unterstützen. Ist der TherapeutIn gestresst, überfordert oder hat selbst keinen Bezug zum Körper, wird es unmöglich Betroffene zu begleiten. Beide bewegen sich dann häufig auf einer intellektuellen Ebene, die zwar Dynamiken erklärbar machen, aber den dahinter liegenden Stress nicht lösen können. Hier kann sich das wiederholen, was man als Kind erfahren hat. Bis zum ersten Lebensjahr ist ein Kind auf die Co-Regulation der Bezugsperson angewiesen, d.h. das sie die Erregungszustände des Kindes reguliert, da das Nervensystem noch nicht voll ausgebildet ist.

Von einer chronischen Anspannung in die Selbstregulation zu kommen, braucht viel Zeit und bedeutet eine intensive therapeutische Arbeit. Denn neue Bahnen anzulegen und das Nervensystem zu beruhigen dauert. Der Psychiater Dr. Daniel Siegel hat untersucht, dass es ca. 300 bewusste neue Erfahrungen braucht, um ein mentales Muster zu verändern.

Ziel ist die unterbrochene Bewegung zu vervollständigen und die ursprüngliche Reaktion auf die erlebte Gefahr/Stress zu reaktivieren. Dabei wird die Selbstwahrnehmung immer wieder fokussiert und trainiert. Abgespaltenes wird plötzlich spürbar und ist mit Gefühlen des Schmerzes, der Trauer und der Wut verbunden. Die Aufgabe des Therapeuten ist es, die Dosierung so zu regulieren, damit der Klient die Erregung auf die vergangene Situation wahrnehmen kann, ohne in Panik zu geraten. So lernt der Klient Schritt für Schritt den Körper wahrzunehmen, die Abwehr- und Angriffsbewegung durchzuführen und den Körper zu regulieren.

Der Arzt und Gestalttherapeut Dr. Victor Chu fasst einige wichtige Punkte zum Verständnis von Körper, Stress und Trauma zusammen:

  • Der Verstand kann uns täuschen, der Körper nie.
  • Jede Emotion hat ihren ureigenen körperlichen Ausdruck
  • Unsere Gesten und Bewegungen dienen der Interaktion und Kommunikation mit anderen
  • Unsere Atmung ist die Vermittlerin zwischen dem Bewussten und dem autonomen Nervensystem: Atem als Chi-Energie-Fluss
  • Unsere Stimme ist Ausdruck unseres Herzens
  • Unsere Augen sind Ausdruck des Lebendig-Seins
  • Tanz und Musik sind Ausdruck des Lebensflusses und -rhythmus
  • Kampf, Flucht und Totstellen, die drei biologisch angelegten Reaktionen auf Gefahr, sind überwiegend körperliche Reaktionen
  • Wo die Psyche eine seelische Belastung nicht mehr aushalten kann, übernimmt der Körper und wird krank (Psychosomatik)