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Freundschaften aufbauen und lebendig halten

FREUNDSCHAFTEN AUFBAUEN UND LEBENDIG HALTEN

Unabhängig ob wir Familie, PartnerIn haben oder nicht – Freunde sind unerlässlich im Leben. Sie können uns näher sein als die eigene Familie, eine Wahlfamilie werden und ein Hafen der Sicherheit und Freude. Die Fähigkeit Freundschaften aufzubauen, wird in unserer beziehungsarmen Gesellschaft immer wichtiger.

Doch was macht Freundschaft aus? Welche Qualitäten sind damit verbunden? Welche Fähigkeiten muss man mitbringen oder erlernen? Denn eines ist sicher, Freundschaften sind nicht selbstverständlich, sondern rar und einmalig.

Das Konzept von Beziehung und Freundschaft ist sehr ähnlich und daher für therapeutische Prozesse nicht unwesentlich. Hier zeigen sich grundlegende Dynamiken, wie man selbst in Beziehung geht, wo die eigenen blinden Flecken sind und was man lernen kann, um beziehungsfähig zu werden.

Freundschaften aufzubauen und lebendig zu halten, braucht Zeit, gegenseitiges Interesse und eine stimmige Kommunikation.

1. FREUNDSCHAFTEN – WO UND WIE BEGINNT MAN?

Freundschaften aufbauen

Der Beginn einer jeden Freundschaft ist das gegenseitige Kennenlernen. Man lernt Menschen kennen, indem man etwas aktiv unternimmt. Denn wir sind für andere erstmal unbedeutend, da jeder mit seinem eigenen Leben beschäftigt ist. Daher müssen wir in Aktion treten und nicht darauf warten, dass wir von anderen entdeckt werden. Die Aktivität sollte das widerspiegeln, was man gerne macht und wo es Gemeinsamkeiten gibt. Wenn jemand gerne Tennis spielt, sollte sich nicht bei Fußballspielen aufhalten. 

Um sich Kennenzulernen braucht es Zeit, Interesse, einen Vertrauensvorschuss und man muss sich zeigen. Wer eine (perfekte) Maske aufsetzt, wird nicht weit kommen. Damit werden Mauern und keine Brücken gebaut. Oft hinterlässt es ein Gefühl der Leere, des Mangels oder der Oberflächlichkeit. Intensität und Tiefe entstehen jedoch nur, wenn die Masken fallen.

Mit der Zeit lernt man, wer zu einem passt und wer nicht. Jeder entscheidet für sich, ob er den anderen noch mal treffen möchte und ob ein Interesse besteht.

Beim Kennenlernen gilt es herauszufinden, ob man die gleichen Werte teilt. Wenn das nicht der Fall ist, wird die Beziehung irgendwann schwierig, da die Unterschiede zu groß werden. Gemeinsamkeiten stärken das Kennenlernen und die Entwicklung zu einer Freundschaft. Ein erstmal banal klingender Gradmesser beim Kennenlernen ist, ob man sich in der Gegenwart des anderen wohl fühlt. Ist man entspannt, gelassen, neugierig, offen, sind das schon mal gute Zeichen.

Wer oft verletzt oder enttäuscht wurde, tut sich in der Regel schwerer wieder in Kontakt zu gehen und eine Vertrauensbasis aufzubauen. Es braucht die bewusste Entscheidung und einen Vertrauensvorschuss, um Menschen kennenzulernen. Oft kommen wir mit unseren alten Verletzungen in Berührung und können zu einem Hindernis werden, wenn diese auf neue Bekanntschaften projiziert werden. Je älter man wird, desto schwieriger wird es daher häufig, neue Menschen tiefer kennenzulernen und eine stabile Freundschaft aufzubauen.

Welchen Einfluß hat ein Entwicklungstrauma auf Freundschaften?

Menschen mit einem Entwicklungstrauma haben eine frühe Bindungsverletzung, die sich auf alle ihre Beziehungen auswirkt. Daher fällt es ihnen besonders schwer und gehen das Kennenlernen falsch an.

Das destruktive Bindungsmuster zeigt sich, dass sie sich zu schnell zu viel öffnen, den anderen retten wollen, zu bedürftig sind oder in Partnerschaften zu früh intim werden. Sie sind dann schon innerlich gebunden, bevor sie den anderen kennen.

Ein Trennung ist so schmerzhaft wie eine Bindungstrennung, auch wenn mann sich gerade erst begegnet ist. Jede Bindungstrennung tut weh, egal wie lang die Bekanntschaft , Freundschaft oder Beziehung gedauert hat.

Je bedürftiger ein Mensch ist, desto weniger bekommt er. Bedürftige Menschen schrecken andere Menschen ab, da niemand diesen Hunger nach Aufmerksamkeit, Zuneigung, Liebe stillen kann. Der frühkindliche Mangel und die damit verbundenen tiefen seelischen Verletzungen lassen sich im therapeutischen Setting mit viel Geduld und kleinen Schritten aufarbeiten. Je mehr man bei sich selbst angekommen und ein gesundes Selbstwertgefühl entwickelt hat, desto interessanter wird man für andere. Unbewusste destruktive Abhängigkeitsmuster werden im therapeutischen Prozess bearbeitet, um echten Kontakt und nährende Beziehungen zu erleben.

Je stärker der Selbstwert, desto klarer kann man sehen und entscheiden, ob man einen Menschen wirklich mag, welchen Platz man ihm einräumt und wieviel Zeit man schenkt. Ohne emotionale Verstrickungen, die zu Verlustängsten, Scham oder Schuldgefühlen führen.

2. NACH DEM KENNENLERNEN ZUR FREUNDSCHAFT

Lebendige Freundschaften aufzubauen, braucht Zeit und Engagement. Nach dem Kennenlernen geht es darum, den Kontakt zu vertiefen und aktiv zu gestalten. Um mehr Nähe herzustellen, braucht es Feingespür. Es ist ein gemeinsames oft nonverbales Austarieren, wieviel Nähe gerade stimmig ist. Man beginnt das innere Erleben zu teilen und schaut, wie der andere damit umgeht. Es ist ein achtsames Herantasten, eine Hin- und Wegbewegung, ein Rhythmus aus Nähe und Distanz. Die gewünschte Frequenz müssen beide verhandeln. Manchmal gibt es Freundschaften mit häufigeren Kontakt und manchmal mit seltenem Kontakt. Je nachdem, was das Leben zulässt und wie die Bedürfnisse sind. Sind die Bedürfnisse bei beiden ähnlich findet sich eine stimmige Frequenz. Wenn der eine mehr oder weniger Kontakt möchte, muss verhandelt werden. 

Kontakt vertiefen

Der Begriff Kontakt wird heute inflationär gebraucht und jeder versteht darunter etwas anderes. Manche verstehen darunter miteinander reden, andere ein eher symbiotisches miteinander oder ein Mitleiden, was wiederum mit Empathie verwechselt wird. 

Aus der Gestalttherapie heraus, bedeutet Kontakt, dass man etwas von dem anderen mitbekommt und in Verbindung ist. Man weiß, wo der andere gerade steht, was ihn emotional beschäftigt oder fühlt. Das muss nicht dramatisch oder emotional tief sein, sondern ein Miteinander.

Man selbst ist ganz präsent. „Ich bin da und ich sehe dich.“ ist die Grundhaltung für Kontakt. 

Um in Kontakt zu gehen, lässt man sich auf sich selbst und den anderen ein. Man steht dem anderen offen und neugierig gegenüber, lässt andere Meinungen und Ansichten zu und wehrt diese nicht gleich ab. Um in Kontakt mit einem Gegenüber zu gehen, braucht man selbst gesunde Grenzen. Nur mit einer gesunden Grenze ist überhaupt Kontakt möglich, denn durch die Grenze entsteht Verbindung. Fehlen die Grenzen kommt es zu emotionalen Verstrickungen, Grenzverletzungen, Abhängigkeiten, emotionalen Missbrauch, Selbstverlust. 

Falsch gesetzte Grenzen verschließen das Herz. Ich beobachte immer wieder, das Menschen unter Grenzen setzen eine Überabgrenzung verstehen. „Ich halte mich da raus“, „Das geht mich nichts an“, „Da muss der andere alleine durch“. Das sind jedoch Kontaktabbrüche. Oftmals aus eigener Überforderung heraus. 

Grenzen machen Bindung erst möglich. Man begegnet dem anderen, ist zugewandt und bleibt bei sich, so entsteht ein Wir-Raum. Mit gesunden Grenzen kann man Menschen in schwierigen Lebensphasen begleiten ohne mitzuleiden. Auch das macht Freundschaft aus.

Gute Freunde sollte man alleine treffen und nicht in Gesellschaft oder als Paar, das mindert die Aufmerksamkeit und das Einlassen auf den anderen.

Wie miteinander kommunizieren?

Das gegenseitige Interesse vertieft Beziehungen. Jedes Wort und jede Körperhaltung hat eine Wirkung. Über Sprache verbinden oder trennen wir uns. Auch die Frage wie wir mit Konflikten umgehen, gehört zum Aufbau von Freundschaften und wie wir miteinander reden. Miteinander kommunizieren bedeutet, dass man sich aufeinander bezieht, sich öffnet ohne sich zu offenbaren, sich verletzlich zeigen kann und man sich nicht benutzt fühlt.

Immer wieder zeigt sich- gerade in therapeutischen Settings – wie wenig Menschen sich spüren und wenig oder nichts von sich mitteilen können. Es wird über etwas gesprochen oder eine Aufzählung was man gemacht hat, aber nicht wie es einem geht. Von sich sprechen, heißt zu spüren, was gerade bei einem selbst los ist. Welche Körperempfindungen werden wahrgenommen, welche Gefühle kommen in den Vordergrund? Unsere Sprache ist eingebunden im Körper und nicht voneinander zu trennen. Man drückt sich aus durch die Tonlage, die Geschwindigkeit, die Lautstärke, die Körperhaltung. 

Wenn man nicht mit sich selbst im Kontakt ist, kann man auch nicht mit anderen in Kontakt kommen.

Die Verantwortung für Kontakt liegt bei jedem Menschen selbst. Wer sich selbst nicht spürt, kann/muss es lernen. Denn nur so sind wirklich nähernde Beziehungen möglich anstatt Energie in toten oder toxischen Beziehungen zu verlieren. Ein gesunder Kontakt entsteht durch einen Rhythmus aus Nähe und Distanz und hinterlässt ein Gefühl der Freude, Wärme und Verbindung. Destruktive Beziehungen hinterlassen Gefühle von Verlustangst, passive Wut, Scham und Schuld. 

Kontakt und Nähe werden verhindert, indem man die Probleme des anderen lösen will, Lösungen präsentiert wo man nicht danach gefragt hat oder den anderen retten will. Man lässt sich nicht wirklich auf den anderen ein und wendet sich ihm zu, sondern baut innerlich eine Mauer oder wertet ab. Als Gegenüber wird dies wahrgenommen, man fühlt sich nicht gesehen und geht auch aus dem Kontakt. 

Umgang mit Konflikten 

Bei Konflikten zeigt sich ein Entwicklungstrauma in der emotionalen Unsicherheit. Jeder Konflikt wird als Bedrohung wahrgenommen und ist sofort gefühlt existentiell. Bei einem sicheren Bindungsmuster kann man sich auch trotz eines Konflikts verbunden fühlen. 

Konflikte beruhen auf Missverständnissen, unerfüllte Bedürfnissen oder Interessensunterschieden. Er verschärft sich, wenn beide denken, sie haben recht oder „ich habe nicht angefangen“. Bei Konflikten geht es darum zu schauen, wie man wieder in Kontakt kommen kann. Hierzu kann es hilfreich sein, erstmal zuzulassen, dass man nicht das Anrecht auf die Wahrheit hat. Man kann eine Meinung oder einen Standpunkt haben, aber man spricht nicht die Wahrheit. Es gibt Menschen, die sich auf die Ehrlichkeit berufen „Ich bin ja nur ehrlich.“ und verletzten damit andere zutiefst. Das hat nichts mit Kontakt zu tun.

Die Lösung eines Konflikts wird verhindert, wenn Kritik sofort zurück gegeben wird. Besser man hört sich die Kritik erstmal an und lässt es so stehen. Denn wir haben alle unsere blinden Flecken und es kann ein wertvolles Feedback sein, auch wenn es unschön ist zu hören. Kontakt wird auch verhindert bei den Wörtern „immer“ und „nie“. Die mangelnde Differenzierung verschließt das Herz und eine Kommunikation wird unmöglich. 

Um Konflikte zu lösen, kann die Frage unterstützen, was eigentlich dahinter steckt. Oftmals steckt hinter der aktuellen Situation ein ganz anderer Konflikt, der auf der falschen Ebene ausgetragen wird und es so nie zu einer Lösung kommen kann. 

3. FREUNDSCHAFTEN LEBENDIG HALTEN

Freundschaft vertiefen

Freundschaft ist ein Dialog, der nie aufhört.

Was macht Freundschaft aus? Es werden meistens ein oder mehrere Eigenschaften genannt, was Menschen wichtig ist:

  • Mitgefühl
  • Ein Gleichgewicht im Geben & Nehmen
  • Sich sicher fühlen
  • Stabilität
  • Sich öffnen und tief gehen
  • Sich nicht bewusst verletzen
  • Verlässlichkeit
  • Vertrauen
  • Zuneigung 
  • Wertschätzung, Liebe

Um Freundschaften aufzubauen und zu halten, sollte man selbst die Eigenschaften in sich entwickeln und die Fähigkeiten für Beziehung lernen. Oder anders ausgedrückt, sich so verhalten, dass andere einfach gern Zeit mit einem verbringen. 

Im Lauf des Lebens wird man immer mal wieder inne halten und Freundschaften prüfen. Manche werden intensiver und andere gehen auseinander. Dabei spielen die Fragen ein Rolle, was die Beziehung trägt und was man bekommt. Letzteres ist wichtig, denn wenn man nur gibt und nichts bekommt, wird man frustriert. Freundschaften sollen nähren und daher muss man auch etwas bekommen. Es braucht das Gleichgewicht von Geben & Nehmen, wobei es unterschiedliche Währungen sein können. Jeder zahlt das auf das Beziehungskonto ein, was er geben kann.

In Therapie sind häufiger Menschen, die die Geben-Strategie verfolgen und nichts oder wenig nehmen. Das ist oft egozentrisch, da sie geben, um Aufmerksamkeit, Anerkennung, Liebe zu bekommen und damit destruktive Abhängigkeiten schaffen. Zudem führt die Geben-Strategie direkt ins Burnout. Für ein gesunde Freundschaft trägt eine Ausgeglichenheit im Geben und Nehmen zur Stabilität bei und ist Ausdruck gesunder Grenzen. Wenn jemand nur nimmt, sollte der Kontakt gemieden werden. Denn wir dürfen aussuchen, mit wem wir befreundet sein wollen.

Freundschaft beinhaltet einen Wir-Raum, wo gemeinsames Erleben und geteilte Werte zuhause sind. Was ist das Lebendige in der Freundschaft? Welche Bedürfnisse müssen und welche können befriedigt werden? Wo kann man voneinander lernen? Humor ist etwas, was verbindet. Man kann sich gegenseitig trösten und dem anderen sein Glück von Herzen gönnen. 

Zu guter Letzt – Freundschaft ist nicht selbstverständlich. Lebendige Freundschaft ist ein Geschenk, braucht Zeit, Aufmerksamkeit, Zuhören und Dasein. Wir sollten versuchen, die beste Version unser selbst für den anderen zu sein und den anderen dabei unterstützen, auch er oder sie selbst zu sein. 

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