Wenn das Leben fremdgesteuert scheint
Viele Menschen funktionieren, ohne es zu merken. Sie erfüllen Erwartungen, passen sich an, streben nach Anerkennung und verlieren dabei den Kontakt zu sich selbst. Die Folge: Selbstentfremdung. Wer entfremdet von sich selbst lebt, orientiert sich an einem „falschen Selbst“, das wenig mit den echten Bedürfnissen und Gefühlen zu tun hat.
Das falsche Selbst – eine Überlebensstrategie
Das sogenannte falsche Selbst entsteht meist früh in der Kindheit, oft im Zusammenspiel mit traumatisierten Bezugspersonen oder als Folge eigener Verletzungen. Es ist eine Schutzkonstruktion, die helfen soll, Kontrolle über das Leben zu behalten und Schmerz zu vermeiden. Doch dieser Schutz hat seinen Preis: das Abspalten des wahren Selbst.
Typisch sind Glaubenssätze wie:
- „Du musst dich anstrengen, um geliebt zu werden.“
- „Nur wenn du perfekt bist, hast du das Leben verdient.“
- „Wenn du etwas leistest, bekommst du Anerkennung.“
Diese inneren Überzeugungen formen das Bild eines Ideal-Selbst, das unerreichbar ist und doch ständig angestrebt wird. Die Überlebensstrategien zeigen sich häufig in drei Grundmustern:
- Stärker sein als alle anderen – Schwäche ist keine Option.
- Keine Fehler machen – Fehler bedeuten Gefahr.
- Besondere Leistungen erbringen – nur so scheint man wertvoll
Diese Muster verschaffen kurzfristig Orientierung und (vermeintliche) Sicherheit – langfristig jedoch führen sie in Erschöpfung, Isolation und ein Gefühl innerer Leere.
Warum Selbstentfremdung abhängig macht
Wer sich selbst entfremdet, ist oft abhängig von äußeren Bewertungen: Lob, Leistung, Anerkennung oder Harmonie. Die Angst, wieder verletzt oder verlassen zu werden, verhindert es, sich Hilfe zu holen oder eigene Grenzen zu achten. Stattdessen wird versucht, durch Selbstoptimierung oder Helfen das innere Loch zu füllen, meist vergeblich.
Das falsche Selbst produziert viele „Ich muss“- und „Ich sollte“-Sätze:
- „Ich darf keine Schwäche zeigen.“
- „Ich muss immer funktionieren.“
- „Ich sollte es alleine schaffen.“
Diese inneren Antreiber verhindern, dass man echte Bedürfnisse wahrnimmt oder überhaupt spürt. Gefühle wie Wut, Trauer oder Angst werden oft unterdrückt oder gar abgespalten, aus Angst, alten Schmerz zu berühren.In Beziehungen wird Selbstentfremdung besonders deutlich: Der fehlende Zugang zu den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen erschwert ehrliche Nähe. Oft entstehen Missverständnisse, Überanpassung oder Machtkämpfe, begleitet von einem vagen Gefühl, nicht „man selbst“ sein zu dürfen.
Heilung beginnt mit dem Mut zur Selbstwahrnehmung. Wer lernt, innere Stimmen zu unterscheiden, Bedürfnisse zu benennen und alte Schutzmechanismen liebevoll zu hinterfragen, kann Stück für Stück zurückkehren zum wahren Selbst. Dieser Weg ist nicht bequem, aber befreiend.
Das Leid der Selbstentfremdung
Die Identifikation mit dem falschen Selbst und den daraus entstehenden Denk- und Handlungsmustern lösen ambivalente Gefühle aus. Auf der einen Seite kann es sich lebendig anfühlen, einhergehend mit Größenphantasien und auf der anderen Seite zeigen sich Selbstzweifel, Stress und Minderwertigkeit. Das Pendel schlägt mal in die eine Richtung und mal in die Andere. Es entsteht eine enorme Abhängigkeit von der Bestätigung anderer. Die Selbstentfremdung wird immer größer. Mann lebt nicht sich selbst, sondern ein Bild von sich selbst – das Falsche. Wahres Fühlen, Wünschen und Wollen kommt nicht vor und wird verdrängt oder unterdrückt, was viel Energie kostet.
Menschen, die sich mit dem falschen Selbst identifizieren und daraus handeln, fühlen sich oft stolz. Stolz, dass keiner so große Ziele und Ideale verfolgt wie sie selbst. Sie fühlen sich überlegen und besonders. In Wahrheit hat dies alles nichts mit dem wahren Selbst zu tun. Der Mensch ist selbstentfremdet. Der Preis für die Selbstentfremdung ist hoch und geht früher oder später mit einem großen seelischen Leid einher.
„Unter innerem Druck kann jedoch ein Mensch seinem wahren Selbst entfremdet werden. Dann setzt er den größten Teil seiner Kräfte dafür ein, sich mithilfe eines starren Systems innerer Gebote zu einem Wesen von absoluter Vollkommenheit zu formen. Denn nur göttergleiche Vollkommenheit kann die Erfüllung des idealisierten Vorstellungsbildes, das er von sich hat, ermöglichen, nur sie kann seinen Stolz auf jene Eigenschaften befriedigende er seinem Gefühl nach besitzt, besitzen könnte und sollte.“ Karen Horney, Psychoanalytikerin 1885-1952
Von der Selbstentfremdung zum Selbstvertrauen
Der Weg von der Selbstentfremdung zum Selbstvertrauen ist sicher kein leichter, aber ein lohnenswerter. Innere Ruhe, eine stabile Identität und den eigenen Platz im Leben finden, gehen mit der Selbstverbindung einher. Es ist ein Prozess, die eigenen Traumata loszulassen und sich von dem falschen Selbst zu lösen. In Schichten werden die falschen Idealvorstellungen in der therapeutischen Arbeit abgetragen, damit ein Raum für die Selbstverbindung entsteht. Mit der Selbstverbindung entsteht der Kontakt mit den verdrängten Gefühlen, die endlich im geschützten Raum gefühlt werden dürfen, um sich dann von ihnen zu verabschieden. Gefühle werden authentischer, wenn nicht immer die alten verletzenden Erfahrungen mitschwingen. Die wahren Bedürfnisse kommen zum Vorschein. Wenn diese erfüllt werden, entsteht das Gefühl der Fülle anstatt der Gier oder der Sucht.
Die Verbindung mit dem wahren Selbst ist geprägt von dem Wissen vollständig zu sein, unabhängig und frei. Die Gegenwart hat mehr Gewicht als die Vergangenheit. Die falschen Identifikationen sind gelöst und der Mensch lebt aus sich selbst heraus, dem eigenen Potential, den eigenen Wünschen und Bedürfnissen.
ONLINE-AUTONOMIE AUFSTELLUNG zur SELBSTINTEGRATION
Die Online-Autonomie-Aufstellung ist ein systemisches Aufstellungsformat, um sich aus Identifikationen zu lösen und den Raum für das wahre Selbst frei zu machen.
Eine Autonomie-Aufstellung mit Figuren (Holzklötze als Stellvertreter) findet online via Videokonferenz statt.
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